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4. Januar 2022 / Baumwolljahr 2021 – Hoffnung und Unsicherheit bestimmen Baumwollbranche

In der traditionellen Jahresendausgabe des Bremen Cotton Report kommen Expertinnen aus verschiedenen Bereichen der Baumwollindustrie sowie der textilen Wertschöpfungskette zu Wort. In kurzen Statements analysieren sie aktuelle Themen der Branche und beurteilen mögliche Zukunftsaussichten.

Statement von Stephanie Silber, Präsidentin der Bremener Baumwollbörse


Filomena Pettolino, Xiaoqing Li, Colleen Macmillan, Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Bereich der Baumwoll­faserqualität, CSIRO Landwirtschaft und Ernährung, Australien

Wie trägt die Forschung von CSIRO dazu bei, Baumwolle mit einer höheren Faserqualität zu entwickeln und sie gleichzeitig nachhaltiger zu machen?

„Wir integrieren fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse auf verschiedenen Ebenen und arbeiten mit Experten in der gesamten Wertschöpfungskette der Baumwollfaser zusammen. CSIRO verfügt über ein seit mehreren Jahrzehnten erfolgreiches australisches Baumwollzüchtungsprogramm. Durch die Anwendung neuer Technologien und Industriepartnerschaften bringt es immer wieder Innovationen hervor und liefert dem Markt eine hervorragende Faserqualität. Unsere Forschung zur Faserqualität reicht von der Baumwollgenetik bis hin zu neuen Fasertechnologien. Wir erforschen dabei die DNA, die die Faserbildung steuert sowie das Zusammenwirken von Genen, um einzigartige Fasern zu erzeugen und untersuchen die komplexe Anordnung der Zellwandmoleküle für eine verbesserte Faserqualität. Dies ermöglicht es der synthetischen Biologie auf molekularer Ebene mit der Wertschöpfungskette an biologischen Lösungen für die Nachhaltigkeit von Fasern zusammenzuarbeiten. Beispiele hierfür sind das Projekt ‚Synbio Future Science Platform Novel Fibres‘ des CSIRO, die Gen-Netzwerke von CSIRO Agriculture & Food für differenzierte Produkte sowie die Veränderungen der Faserzusammensetzung durch Cotton Breeding Australia.

Unsere Forschung im Bereich hochwertiger Fasern zielt darauf ab, den Kreislauf von Ressourcenfluss und Energieverbrauch zu schließen und den Menschen in diesem Prozess Wertschätzung entgegenzubringen.“


Marzia Lanfranchi, Beraterin für nachhaltige Mode, Cotton Diaries, Spanien

Warum ist es so wichtig, Falschinformationen über Baumwolle zu bekämpfen?

„Die Baumwollbranche und im weiteren Sinne auch die Modebranche haben ein ernstes Problem mit Falschinformationen. Ungenaue und veraltete Zahlen sind weit verbreitet, ebenso wie Daten ohne jeglichen Kontext. Viele Akteure in der Branche sowie verbraucherorientierte Kommunikation verstärken diese fehlerhaften Informationen.

Es gab zwar einige Versuche, falsche Aussagen in der Modebranche aufzudecken, aber das Pro­blem wurde oft nicht ernst genug genommen. Dabei zeigt sich, dass diese Falschinformationen über die Modebranche Teil der gleichen gesellschaftsweiten Informations­störung sind, die Demokratien destabilisiert und das öffentliche Vertrauen untergräbt. Wir glauben, dass dies ein Hindernis für das Verständnis der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen verschiedener Fasern ist und ein Hauptgrund, warum ein positiver Wandel gebremst wird.

Das Ziel kann dabei nicht die Einigung auf eine einheitliche Lösung für ökologische und soziale Pro­bleme sein. Aber alle Akteure in der Modebranche – von Journalisten und gemeinnützigen Organisationen bis hin zu Verbrauchern, Lieferanten und Marken – müssen auf der Basis übereinstimmender Fakten handeln, sonst schwindet die Hoffnung auf Fortschritte.

Für Industrie und Gesellschaft ist es von entscheidender Bedeutung, die besten verfügbaren Daten sowie kontextbezogene Auswirkungen der verschiedenen Fasern und Systeme in der Modebranche zu verstehen. So können bewährte Praktiken entwickelt und umgesetzt werden und die Industrie kann fundierte Entscheidungen treffen. Für Landwirte sowie andere Lieferanten und Hersteller können Belohnungs- und Anreizstrukturen geschaffen werden, verantwortungsvollere Praktiken anzuwenden, die sich positiv auf die Umwelt auswirken.“


Jessica Burwin, Nachhaltigkeitsmanagement, Hch. Kettelhack GmbH & Co. KG, Rheine

Welchen Herausforderungen in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften in der Textilkette sieht sich ein traditionelles Familienunternehmen gegenüber?

„Aufgrund unseres Produktions­standortes in Deutschland beschäftigen wir uns schon seit Jahren mit zahlreichen Anforderungen aus dem Bereich Umwelt. Ergänzend nimmt die Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette immer mehr Raum unseres Nachhaltigkeitsmanagements ein. Uns ist klar, dass auch wir als kleineres, mittelständisches Unternehmen indirekt von dem zukünftig geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen sein werden. Erste Kundenanfragen liegen uns dazu schon vor.

Als Mitglied im Textilbündnis konnten wir im Rahmen des Review-Prozesses bereits Erfahrungen mit Risikoanalysen sammeln. Für einige Themen werden aber noch pragmatische Branchenlösungen benötigt, die auch zu einem Unternehmen unserer Größe passen.

Dabei gilt es, die Herausforderung als Chance zu begreifen: Es ist aktuell wichtiger denn je, gemeinsam mit den Beteiligten der textilen Wertschöpfungskette Lösungsansätze zu erarbeiten, Erfahrungen auszutauschen und Ressourcen zu bündeln.“


Jessica Christiansen, Global Manager Baumwolle, Bayer Crop Science, St. Louis, MO, USA

Wie ist Bayer Crop Science bei der Baumwollforschung hinsichtlich des Klimawandels aufgestellt?

„Bei Bayer Crop Science erneuern wir unsere Baumwollentwicklung kontinuierlich, um den Ertrag, die Faserqualität und die Gesamt­rentabilität für die Landwirte zu steigern. Dabei haben die Faktoren Klimawandel und Nachhaltigkeit die höchste Priorität. Als eines der größten Agrarunternehmen der Welt möchte Bayer die Farmer in die Lage versetzen, die Treibhausgasemissionen im landwirtschaftlichen Anbau zu reduzieren, unabhängig davon wo das Unternehmen tätig ist. Um dieses Ziel zu erreichen, fördert Bayer die Einführung klimafreundlicher Praktiken und Technologien bei seinen Kunden in der Landwirtschaft. Dazu gehört beispielweise die Teilnahme von Baumwollbauern an der Bayer Carbon Initiative, bei der sie für bestimmte klimafreundliche Praktiken entlohnt werden. Im Hinblick auf eine effiziente Wassernutzung konzentriert sich Bayer weiterhin auf die Entwicklung von Saatgut, das in wasserarmen Gebieten besser gedeiht. Weiterhin setzt Bayer auf Partnerschaften mit Anbietern von Bewässerungstechnologien, um anhand von Datenanalysen und digitalen Tools den Ertrag des eingesetzten Wassers zu verbessern. Dies sind nur einige Beispiele, wie Bayer den Baumwollanbau für kommende Generationen sichern will.“


Kim Hanna, Präsidentin Trans Global Inspection, Rockwell, TX, USA

Wie sehen Sie die nächsten Schritte, um die Arbeit von Frauen in der Baumwollindustrie besser zu würdigen?

„Es ist kein Geheimnis, dass die Baum­wollindustrie historisch gesehen eine von Männern dominierte Branche ist. Die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen ist entscheidend für die Zukunft unserer Branche. Daher müssen wir Hindernisse erkennen, die Frauen behindern, um so Diversität und Inklusion zu verbessern.

Die ICA hat 2019 die Initiative „Women in Cotton“ ins Leben gerufen. Wir veranstalten alle fünf bis sechs Wochen virtuelle Events: ‚Chats for Change‘, ‚The Global Café‘ und ‚Women in Action‘, die alle für die Branche frei zugänglich sind. Die ‚Chats for Change‘ im Jahr 2022 umfassen Themen wie Verhandlungsstrategien, die Perfektionsfalle und Innovation. Die Teilnehmer entdecken und lernen Methoden, die sie unterstützen, ihre beruflichen Ziele zu verfolgen. Das ‚Global Cafe‘ gibt Raum für Networking, häufig nehmen Führungskräfte der Industrie teil. Diese Führungskräfte haben so die Gelegenheit, die besonderen Herausforderungen von Frauen nachzuvollziehen. Gleichzeitig erhalten sie dadurch wertvolle Informationen, um in ihren eigenen Unternehmen eine inklusivere Kultur zu schaffen. ‚Women in Action‘ ist eine Plattform, die die Leistungen von Frauen ins Rampenlicht rückt und so als Inspiration für unsere Branche dient.

Wir müssen uns alle bewusst machen, dass Männer und Frauen unterschiedlich arbeiten, aber wenn wir zusammenarbeiten, gewinnen alle.“


Tina Stridde, Geschäftsführerin, Aid By Trade Foundation, Hamburg

Kann Cotton made in Africa von dem aktuellen Trend zur Beschaffung von in nachhaltigen Systemen produzierter Baumwolle profitieren?

„Cotton made in Africa (CmiA) ist gefragter denn je. Im Jahr 2020 er­zielten wir mit über 276 Millionen CmiA gelabelten Textilien einen neuen Absatzrekord und der Erfolgskurs setzt sich auch 2021 weiter fort. Mit über 60 Handelsunternehmen, 500 registrierten Stoff- und Garnproduzenten und 20 afrikanischen Baumwollgesellschaften ist CmiA in den globalen textilen Wertschöpfungsketten mittlerweile fest verankert. Beide Standards – neben CmiA spielt auch CmiA Organic eine zunehmend wichtige Rolle – profitieren von der Verpflichtung vieler Unternehmen, ausschließlich nachhaltige Rohstoffe einzusetzen sowie ihrem Verlangen nach umfassender Transparenz möglichst bis zum Erzeuger und ihrem Bekenntnis zu mittelfristig komplett CO2-neutralen Geschäftstätigkeiten, insbesondere Lieferketten. Mit einem neuen Tracking System sowie der CmiA Carbon Neutral Initiative bieten wir den Unternehmen innovative Lösungen für mehr Transparenz in der Lieferkette und die Grundlage für eine dekarbonisierte Supply Chain.“


Mary Ankeny, Vizepräsidentin für Produktentwicklung und Umsetzung, Cotton Incorporated, Cary, NC, USA

Gibt es neue Produktentwicklungen mit Baumwolle als Hauptbestandteil?

„Eine wesentliche Aufgabe bei Cotton Incorporated ist es, das Nachhaltigkeitsprofil von Baumwolltextilien stetig zu verbessern. Dabei kann es beispielweise darum gehen, den Einsatz von Wasser, Energie und Chemikalien bei der Verarbeitung zu reduzieren. Bei anderen Erzeugnissen bedeutet es vielleicht, Chemikalien in der Ausrüstung zu ersetzen, um ein bedenkliches Produkt zu eliminieren. Es bedeutet auch, Möglichkeiten zu finden, die Baumwolle so zu behandeln, dass ihre Lebensdauer steigt und das Kleidungsstück haltbarer und langlebiger wird.

In diesem Zusammenhang hat Cotton Incorporated vor Kurzem zwei neue nachhaltige Technologien für Baumwolle vorgestellt. Bei der PUREPRESS™-Technologie handelt es sich um eine formaldehydfreie, dauerhafte Bügelfrei-Ausrüstung für Baumwolle, die über weitere positive Eigenschaften verfügt. Eine zweite Entwicklung, die gerade erst auf den Markt kommt, ist die TOUGH COTTON™-Technologie für Garne. Die TOUGH COTTON™-Technologie wurde vor vielen Jahren als abriebfeste Ausrüstung für gewebte Stoffe eingeführt. Im Jahr 2021 ermöglicht eine Neuformulierung der Zusammensetzung, dass diese Technologie auch auf Garn angewendet werden kann. Dieses Verfahren ermöglicht es dem Hersteller, entsprechend behandelte Garne genau dort einzusetzen, wo sie im Kleidungsstück benötigt werden.

Das Ziel von Cotton Incorporated ist es, weiterhin innovative nachhaltige Technologien für Baumwolle zu entwickeln und Unternehmenskooperationen zu realisieren.“


Ingeborg Neumann, Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Mode­industrie, Berlin

Das Lieferkettengesetz ist beschlossene Sache. Was kommt nun auf die deutsche Textilindustrie zu und wie geht es auf europäischer Ebene weiter?

„Durch die Corona-Pandemie erleben wir weltweit sehr viel Chaos in den Lieferketten. Das macht es nicht gerade leichter, sich auf die gesetzlichen Anforderungen aus dem sogenannten Sorgfaltspflichten-Gesetz vorzubereiten. Dennoch sind wir hier sehr aktiv und bieten in unserer neu gegründeten t+m CSR Consulting-Beratungsagentur Unterstützung an. Wir können Unternehmen dabei begleiten, ihre Sorgfaltsplichten in der Lieferkette zu verankern und entsprechende Strukturen entlang der Wertschöpfungsketten auf- und auszubauen. Damit sind wir auch mit Blick auf entsprechende europäische Gesetzes-Initiativen gut vorbereitet. Mein Rat an die Politik in Brüssel und Berlin ist allerdings, angesichts der weltweit stark verzweigten globalen Lieferketten auch immer an die Machbarkeit zu denken. Wir brauchen keine Papiertiger, sondern allgemeingültige Standards, die für alle gelten und tatsächlich etwas in den Herkunftsländern bewegen.“


Wir danken allen Gesprächs­partnerinnen für ihren Beitrag!
Die Statements geben die Meinung der Interview­ten und nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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