Textilbündnis

Der damalige Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller hat im Herbst 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien ins Leben gerufen, das Partner aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft umfasst. Die Bremer Baumwollbörse ist dem Bündnis noch 2014 beigetreten und bringt seitdem ihre Expertise aktiv ein, etwa in fachlichen Arbeitsgruppen.

Das Textilbündnis bündelt die Kraft und Expertise seiner Mitglieder, um soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang von Textil-Lieferketten zu erreichen.

Mehr Informationen auf der Website des Bündnis für nachhaltige Textilien

Interview zum Bündnis für nachhaltige Textilien: Der Weg ist das Ziel

Das 2014 entstandene Bündnis für nachhaltige Textilien befindet sich nun nach Findung in den Anfängen im zweiten Jahr der Umsetzung. Für Mitglieder durchaus eine Herausforderung, weil dies viele Umdenkprozesse bei bestehenden Verfahren mit sich bringt. Die Cotton Report-Redaktion sprach mit Dr. Jürgen Janssen in seiner Eigenschaft als Leiter des Bündnissekretariats.

Herr Dr. Janssen, was ist die Bilanz der bisherigen Arbeit?

Dr. Jürgen Janssen: Das Textilbündnis zielt darauf ab, signifikante und nachweisbare Verbesserungen bei den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in Textil-Lieferketten zu erreichen. Die Mitglieder setzten sich hierfür verbindliche und auch freiwillige überprüfbare Ziele und schaffen Transparenz über den Fortschritt bei der Zielerreichung. Dabei ist das Textilbündnis die erste Initiative, die das Konzept der unternehmerischen Sorgfaltspflichten für eine Branche übersetzt und damit umsetzbar gemacht hat. So liegen uns für 2018 über 100 Roadmaps mit mehr als 1.300 konkreten, zielgerichteten Maßnahmen vor. Auch unser zweites Standbein, die Bündnisinitiativen in Produktionsländern, entwickelt sich weiter. Darüber hinaus etablieren wir das Bündnis Schritt-für-Schritt als die Lern- und Dialogplattform für Nachhaltigkeit in der Textil- und Bekleidungsbranche in Deutschland.

Wie sieht die derzeitige Mitgliederstruktur aus? Was ist ihrer Meinung nach die Ursache dafür, dass wesentliche Teile des wichtigen Mittelstands fehlen?

Das Textilbündnis ist eine Multi-­Stakeholder-Initiative mit rund 130 Mitgliedern aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Standardorganisationen. Bezogen auf die 100 umsatzstärksten Textilhandelsunternehmen decken die Mitglieder rund die Hälfte des deutschen Textilmarktes ab. Sicher würden wir uns wünschen, dass mehr Unternehmen der mittelständischen Bekleidungsindustrie und des Handels dem Bündnis beitreten. Mit vielen von ihnen sind wir im Gespräch. Wir sind davon überzeugt, mehr Mitglieder zu gewinnen, wenn anhand der Bündnispraxis immer deutlicher wird, welche unternehmerischen Vorteile eine Beteiligung am Bündnis haben kann.

Die erste Phase der Verabschiedung des Zielkatalogs wurde Ende 2016, also nach zwei Jahren abgeschlossen. Was hat den Findungsprozess so langwierig gemacht?

In Anbetracht der unterschiedlichen Erwartungen einzelner Gruppen an die Ziele zum Start und die Aufgabenstellungen des Textilbündnisses hat der Prozess gar nicht so lange gedauert, auch im Vergleich zu anderen Branchen­initiativen. Die Zeit war notwendig. Sicher waren die Diskussionen für den einen oder anderen oft mühsam. Letztlich hat aber der intensive Austausch der Argumente innerhalb und zwischen den Gruppen zu einem tragfähigen Konsens bei der Konkretisierung der Anforderungen geführt, der eine gute Basis für die weitere Bündnisarbeit darstellt.

Mit der Veröffentlichung der Maßnahmenpläne der Mitglieder beginnt im Bündnis die Umsetzungsphase. Was sind die Kernelemente?

Die Mitglieder haben ihren individuellen Status Quo, den Ausgangspunkt für die weiteren Aktivitäten, definiert und auf dieser Grundlage Maßnahmenpläne – die Roadmaps – zur Erreichung verpflichtender und auch freiwilliger Ziele vorgelegt. Über die Fortschritte bei der Zielverfolgung wird nun in einem jährlichen Turnus berichtet. Die Ziele beziehen sich zum Beispiel auf die Kenntnis der eigenen Lieferkette, die Vermeidung von Kinderarbeit, den Ersatz gefährlicher Chemikalien, die Zahlung existenzsichernder Löhne und die Verwendung nachhaltiger Naturfasern.

Welche gemeinsamen Bündnisinitiativen gibt es? Welchem Ziel dienen sie?

Neben dem Review-Prozess sind die Bündnisinitiativen das wichtigste In­stru­ment, um gemeinsam Verbesserungen in den Lieferketten zu erreichen. Aktuell sind zwei Bündnis­initiativen auf den Weg gebracht. Im südindischen Tamil Nadu sollen in Textilfabriken mit besonderem Fokus auf Spinnereien systematisch Sozialstandards etabliert und damit insbesondere die Arbeitsbedingungen für Frauen und junge Mädchen verbessert werden.

Zudem gibt es eine Initiative zur Stärkung eines nachhaltigen Chemikalien- und Umweltmanagements im Textilsektor im asiatischen Raum. Hier werden gefährliche Chemikalien, die noch in den Nassprozessen der Textilfertigung eingesetzt werden, substituiert und der Arbeitsschutz verbessert.

In Vorbereitung ist eine Initiative zur Förderung existenzsichernder Löhne, die wir zusammen mit der Initiative ACT (Action Collaboration Transformation) vorantreiben.  Hier sollen international Synergien genutzt werden, um existenzsichernde Löhne in der Textil- und Bekleidungsindustrie voranzutreiben.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Naturfasergruppe?

Die Naturfasergruppe hat sich auf den Baumwollanbau und die Entkörnung sowie die Beschaffung von Baumwolle konzentriert. Natürlich ging es zunächst auch hier darum, unterschiedliche Erwartungshaltungen von NGOs auf der einen sowie von Handel und Industrie auf der anderen zu diskutieren, um dann auf einer breiten Informationsgrundlage zu einem Konsens bei der Zielsetzung zu kommen: Die Mitglieder streben gemeinsam das Ziel an, dass bis 2020 bündnisweit mindestens 35 Prozent der insgesamt beschafften Baumwolle aus nachhaltigen Quellen stammt, inklusive Biobaumwolle.

Welche Baumwollproduktionsmethoden sehen Sie als nachhaltig an?

Baumwolle kann nach dem Zielkatalog des Bündnisses auch dann als nachhaltig produziert gelten, wenn sie nicht aus biologisch zertifiziertem Anbau stammt. Viele Initiativen beschäftigen sich mit der Weiter­entwicklung des konventionellen Baumwollanbaus. Wie bei allen Zielfixierungen müssen hier die Nachhaltigkeitsanforderungen des Bündnisses erfüllt und nachweisbar sein. Hierfür sind Third-Party-Verifizierungen unerlässlich und das Bündnis hat eine Reihe von Standardsystemen für die Nachweisführung anerkannt.

Kann ein deutsches Textilbündnis zum Erfolg führen, ohne seine Regeln in einen inter­nationalen Kontext einzubetten?

Sicher war es für das Bündnis erst einmal wichtig, die Bündnisziele und die Anforderungen zu konkretisieren. Dabei haben wir uns schon früh an den Leitlinien der OECD zu unternehmerischer Sorgfalt und Nachhaltigkeit im Textil- und Bekleidungssektor orientiert. Auf dieser Basis knüpfen und pflegen wir Kontakte zu internationalen Organisationen und bauen unsere Netzwerke Zug um Zug aus. So haben wir zu Beginn des Jahres einen Kooperationsvereinbarung mit dem niederländischen Agreement on Sustainable Garments and Textiles (AGT) geschlossen, die auch eine assoziierte Mitgliedschaft in den beiden Bündnissen umfasst.

Auch im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der global führenden Sustainable Apparel Coalition (SAC) fördern wir die Harmonisierung unternehmerischer Sorgfaltspflichten. Zudem arbeiten wir bei der Reduzierung von giftigen Chemikalien mit der Zero Discharge of Hazardous Chemicals Initiative (ZDHZ) und mit Action Collaboration Transformation (ACT) an internationalen Projekten für existenzsichernde Löhne. Von einer rein nationalen Ausrichtung kann also keine Rede mehr sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview entspricht der Meinung des Interviewpartners und gibt nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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