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13. Oktober 2021 / Nachgefragt: Biobaumwolle – Robuste Nachfrage

Interview mit Maximilian Daebel, Vice President des Bremer Baumwollhändlers Otto Stadtlander.

Im Zuge verstärkter Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Textil- und Bekleidungsbranche gerät die Beschaffung von Biobaumwolle vermehrt in den Fokus von Marken und Einzelhändlern. Der Markt von Biobaumwolle weist derzeit eine hohe Dynamik auf. Die Bremen Cotton Report-Redaktion sprach mit Maximilian Daebel, Vice President des Bremer Baumwollhändlers Otto Stadtlander, über die aktuelle Angebots- und Nachfragesituation.

Woher kommt die derzeit deutlich steigende Nachfrage nach Biobaumwolle?

Seit einiger Zeit bemerken wir die Auswirkungen verschiedener Initiativen, die sich den vermehrten Einsatz nachhaltig produzierter Baumwolle zum Ziel gesetzt haben. Für Deutschland ist das Bündnis für nachhaltige Textilien zu nennen, während wir im internationalen Kontext sehr großen Einfluss der 2025 Sustainable Cotton Challenge (initiiert von der Textile Exchange) verspüren.

Der Großteil der international relevanten Brands und Retailer erfüllt nicht nur die Mindestanforderungen dieser Initiativen, nachhaltige Baumwolle einzusetzen, sondern geht einen Schritt weiter und verpflichtet sich zu dem Einsatz von Biobaumwolle.

Mit dem Zusammenbruch vieler Lieferketten im Zuge der COVID-19-Pandemie war es ihnen möglich, nachhaltige Lieferketten von Grund auf zu planen und zu kommerzialisieren, dies haben wir vor allem an der preislichen Entwicklung von Q3/20 bis jetzt gemerkt.

Wo liegt der Preis für eine durchschnittliche bzw. am meisten gefragte Qualität von Biobaumwolle derzeit und wie hat sich der Preis entwickelt?

Die Preise für Biobaumwolle bewegen sich aktuell im Bereich 1,65-1,70 USD/lb für indische Biobaumwolle und 1,85-1,90 USD/lb für türkische Biobaumwolle (CIF Fernöstliche Häfen, Oktober-Verschiffung).

Die Prämie für indische Biobaumwolle gegenüber konventioneller hat sich von drei Prozent vor 12 Monaten auf ca. 60 Prozent verzwanzigfacht, die Prämie für türkische Biobaumwolle von 20 Prozent auf 65 Prozent verdreifacht. Dies ist maßgeblich der Nachfrage geschuldet.

Nicht zu vergessen ist der preisliche Anstieg konventioneller Baumwolle. Im Vergleich zum Beginn des zweiten Quartals 2020 haben sich die Preise für konventionell angebaute Baumwolle ebenfalls mehr als verdoppelt.

Bedeuten höhere Preise, dass die Bauern mehr Geld bekommen?

Im Vergleich zum Vorjahr erhält der Großteil der Bauern einen höheren Preis für ihre Baumwolle, jedoch ist der Zeitpunkt des „price-fixings“ zwischen Farmer und Ginner (Entkörnungsbetrieb) ausschlaggebend. Möglicherweise konnten so noch nicht alle Bauern an der positiven Preisentwicklung partizipieren. Jedoch nähern wir uns bereits mit großen Schritten der Aussaat der 2022/23-Ernte – sofern sich das Preisniveau hält, werden viele Bauern die für sie sehr positive Preisentwicklung der Biobaumwolle berücksichtigen und realisieren können.

Wird es bei der zunehmenden Nachfrage nach Biobaumwolle irgendwann „Skaleneffekte“ geben, die den Preis dämpfen?

Das aktuelle Preisgefüge, im Besonderen die Prämie, kompensiert nicht nur verringerte Erträge im Vergleich zum Anbau konventioneller Baumwolle, sondern ermöglicht auch einen höheren Gewinn der Farmer. Dies fördert den Anbau von Biobaumwolle ungemein. Wir sehen die Nachfrage weiterhin als sehr robust an, nur ein Bruchteil wird aktuell befriedigt und bestehende Verpflichtungen seitens der Brands und Retailer werden konsequent durchgesetzt.

Inwiefern es Skaleneffekte geben wird, bleibt abzuwarten. Der Biobaumwollanbau beschränkt sich momentan auf lediglich ein Prozent des weltweiten Baumwollanbaus, hier ist also noch viel Luft nach oben.

Statt auf Skaleneffekte zu setzen, sollten die bei Brands und Retailern bestehenden Verpflichtungen zur Nutzung nachhaltig produzierter Baumwolle nicht als Nachteil verstanden werden, sondern als Chance. Mit prognostizierten Abnahmemengen und verschlankten Lieferketten kann man die Volatilität in den Preisen reduzieren, langfristig und wirtschaftlich planen.

Wie ist eine Steigerung des Biobaumwollanbaus möglich?

Da Biobaumwolle im Vergleich zu konventioneller Baumwolle einen geringeren Ertrag realisiert, ist es wichtig, Farmer in der Übergangszeit (in-conversion) zu unterstützen. Dies geschieht idealerweise mit Abnahmeverpflichtungen von ‚Organic-in-conversion‘-Baumwolle.

Ein organisches Wachstum kann es im Biobaumwollanbau nur geben, wenn alle Akteure das Potenzial realisieren und zusammen agieren: weg von dezentralen und opportunistischen Supply Chains, hin zu einer organisierten, planbaren und skalierbaren Hand-in-Hand-Lieferkette.

Es gab vor einiger Zeit Berichte über gefälschte Zertifikate von Biobaumwolle. Sind die Probleme gelöst?

Es ist davon auszugehen, dass die Problematik mit gefälschten bzw. duplizierten Zertifikaten unter Kontrolle gebracht wurde, jedoch ist nach wie vor Skepsis in der Lieferkette angebracht. Die Vervielfachung der Prämie für Biobaumwolle schafft Anreize, Kontrollmechanismen zu umgehen und falsch deklarierte Baumwolle in den Umlauf zu bringen.

Glücklicherweise wurde diese Problematik seitens der Bio-Standards und Certifying Bodies aufgegriffen und eine kontinuierliche Verfeinerung der Kontrollmechanismen findet statt.

Die in unseren Lieferketten präsenten Bauern und Ginner kennen wir persönlich und können Unregelmäßigkeiten durch regelmäßige Audits bereits im Anbaustadium erkennen und zusammen mit Certifying Bodies entsprechend reagieren. Darüber hinaus unterziehen wir sämtliche von uns gekaufte Biobaumwolle GMO-Analysen in unabhängigen europäischen Laboren.

Welche Entwicklungen gibt es, um die Transparenz der Lieferkette von Biobaumwolle zu erhöhen?

Es gibt einige interessante und vielversprechende Ansätze. Einer zum Beispiel ist die Markierung der Baumwollfasern in der Gin. Hierbei wird einer Faser ein einzigartiger fluoreszierender „Fingerabdruck“ beigemischt und verbleibt rückverfolgbar bis ins Endprodukt.

Ob die Ergebnisse der Zwischenteste entlang der Lieferkette nun in simplen Datenbanken oder mittels Blockchain abgespeichert werden, ist dann sekundär.

Vielen Dank für das Interview!

Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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