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17. April 2019 / Dragontree: „Ebay“ für den Baumwollhandel

Interview mit Bill Ballenden, Geschäftsführer und Inhaber von Dragontree. 

Digitalisierung, Blockchain, Onlinehandel – Schlagworte, die auch für eine traditionelle Branche wie den Baumwollhandel immer relevanter werden. Bill Ballenden ist Geschäftsführer und Inhaber von Dragontree. Das Unternehmen hat kürzlich eine Online-Plattform für Baumwollauktionen gestartet. Bevor er seine eigene Firma gründete, managte Bill Ballenden das Baumwollgeschäft von Louis Dreyfus in Europa und Asien in verschiedenen Positionen. Im Interview mit der Cotton Report-Redaktion drehte sich alles um sein Onlinegeschäft, Digitalisierung in der Lieferkette und die Zukunft des Baumwollhandels.

Cotton Report: Herr Ballenden, bitte erklären Sie uns die Idee hinter Ihrer Auktionsplattform Dragontree.

Bill Ballenden: Dragontree basiert auf einem einfachen Konzept: Es erlaubt dem Verkäufer, seine Ware elektronisch zu versteigern. Ziel ist es, ihm zu ermöglichen, effizienter mit verschiedenen Käufern zu verhandeln. Dragontree ist ein sehr transparentes Tool für multilaterale Verhandlungen. Das Höchstgebot für die angebotene Baumwolle ist sichtbar für alle Käufer und ebenso für alle anderen Verkäufer. Damit vereinfacht es Verhandlungen, weil die vielen Einzelverhandlungen mit potentiellen Käufern wegfallen. Es ermöglicht, 20 Interessenten in eine Auktion einzuladen und praktisch sofort das Höchstgebot zu sehen. Eine solche Baumwollauktion ist für zehn Minuten sichtbar. Wenn ein vordefiniertes Minimum des Anbieters erreicht wurde, wird an deren Ende sofort ein Vertrag zwischen dem Verkäufer und dem Höchstbietenden ausgefertigt.

Ist der Prozess des Bietens anonym? Wie sichern Sie den Transfer von Ware und Geld ab?

Während der Auktion selbst bleiben die Handelspartner anonym. Vorgeschaltet ist jedoch eine Matrix, in der die Teilnehmer potentielle Geschäftskunden genehmigen. Je­der erstellt eine vertrauliche Liste von bestätigten Partnern. Nur, wenn der Wunsch nach einer Geschäftsbeziehung gegenseitig ist, werden Verhandlungen und am Ende ein Vertrag zugelassen. Der finale Vertrag wird unter den ICA-Handelsregeln ausgestellt und enthält den Namen der beiden Handelspartner. Wenn die Namen bekanntgegeben wurden und der Vertrag ausgestellt ist, überlassen wir es den Partnern, den Vertrag auszuführen.

Das hört sich wie „Ebay“ für Baumwolle an. Gibt es Ähnlich­keiten zu der Plattform?

Es gibt viele Ähnlichkeiten zu „ebay“. Tatsächlich führen wir gerade eine neue Funktion namens „Sofortkaufen“ ein. Damit können die Verkäufer neben dem vordefinierten Minimum einen „Sofortpreis“ für den Erwerb der Baumwolle ohne Auktion angeben. Für 2019 haben wir uns vorgenommen, regelmäßig neue Funktionen einzuführen, darunter die Nutzung von Vorlagen, InApp-­Benachrichtigungen und möglicherweise ein Verhandlungstool. Ziel ist es, mehr Dynamik in die Plattform zu bringen.

Was ist der Vorteil Ihrer Plattform?

Mein Ziel ist es, die globale Exportbaumwolle an einem Marktplatz zusammenzubringen und damit die Welt ein bissen kleiner zu machen. Mit Dragtontree machen wir einen ersten Schritt in Richtung einer digitalen Lieferkette, respektieren dabei aber die aktuellen Spielregeln der Branche. Wir haben nicht vor, den Baumwollhandel neu zu erfinden, uns ist es wichtig Geld und Zeit im aktuellen Geschäftsmodell zu sparen. Unsere Zielgruppe sind Baumwollfarmer und -händler. Derzeit haben wir 30 brasilianische Farmer und ungefähr 35 australische Farmer online. Außerdem sind 30 internationale Baumwollhändler und 5 Agenten registriert – das macht insgesamt etwa 100 Nutzer.

Wie schätzen Sie Blockchain hinsichtlich Sicherheit und Anwendbarkeit ein?

Wenn die Blockchain für die Baumwolle kommt, ändert das alles. Aber ich glaube, wir sind noch einige Jahre davon entfernt, eine funktionierende Blockchain in der Baumwollbranche umzusetzen. Wenn die Blockchaintechnologie ihrem Potential tatsächlich gerecht wird, macht sie alle Online-Transaktionen sicher. Sofern ein Verkäufer bestimmte Anforderungen des intelligenten Vertrags, des „smart contracts“, erfüllt und die geforderten Dokumente elektronisch einreicht, erfolgt die Bezahlung automatisch.

Ich glaube, dass Blockchain funktionieren kann, vorausgesetzt alle Akteure in der Lieferkette kooperieren. Dafür müssen allerdings die Handelskammern, der Zoll, Banken und Versicherungen wie auch die Logistikunternehmen alle auf Blockchain eingestellt sein und dem intelligenten Vertrag zustimmen.

Blockchain hat das Potential, unsere Branche zu revolutionieren, aber in der praktischen Umsetzung müssen viele sich wandelnde Faktoren berücksichtigt werden. Ich denke, es wird noch einige Zeit dauern, bis wir sicherstellen können, dass ein „smart contract“ wirklich effizient und durchführbar ist.

Wie können sich Händler und andere Akteure in der Baumwolllieferkette an diesen Wandel anpassen?

Ich bin überzeugt, dass jeder eine Strategie für Online-Marketing haben sollte. Wir sind eine konservative Branche und stolz darauf. Dennoch müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass sich die Welt verändert. Dabei sollten wir sichergehen, dass dieser Wandel sowohl in als auch von unserer Baumwoll-Community gestaltet wird. Wir sollten nicht darauf warten, dass das ein Akteur von außerhalb für uns übernimmt.

Jedem sollte bewusst sein, dass Online-Marketing keine persönlichen Beziehungen zerstört. Geschäftsbeziehungen und -netzwerke in der Baumwollbranche bleiben nach wie vor wichtig, um zu wissen, mit wem man handelt. Eine gute Online-Marketingstrategie geht Hand in Hand mit den wichtigen Beziehungen in unserer Branche. Zumindest solange, bis die Blockchain Wirklichkeit wird.

Vielen Dank für das Interview!

Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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