Seit der Generalversammlung der Bremer Baumwollbörse am 28. Juni ist Jens D. Lukaczik Präsident des Verbandes. Jens D. Lukaczik ist geschäftsführender Gesellschafter der in Bremen ansässigen Cargo Control Group, einem angesehenen Logistikdienstleister für die Baumwollwirtschaft. Im Interview mit dem Cotton Report unterstreicht der neue Präsident die Kernaufgaben der Baumwollbörse als Schiedsrichter im internationalen Handel und Zentrum für Qualitätsprüfung. Auch die künftigen Herausforderungen der Baumwollbranche und der textilen Lieferkette kommen nicht zu kurz.
Cotton Report: Wo sehen Sie die Kernkompetenzen der Baumwollbörse?
Jens D. Lukazcik: Die Kernkompetenzen der Baumwollbörse, wie z. B. die Qualitätsexpertise und die Schiedsgerichtsbarkeit im internationalen Handel, haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert. Aber unser Beitrag sowohl zu fachspezifischen als auch zu allgemeinen Baumwollthemen, die heutzutage in der textilen Lieferkette diskutiert werden, wird von Jahr zu Jahr wichtiger und von allen Diskussionseilnehmern als sehr verlässlich empfunden. Die Wahrnehmung der Baumwollbörse hat sich in den letzten 10 Jahren von einer Interessenvertretung zu einem der weltweit akzeptiertesten und unabhängigsten Baumwoll-Fachverbände gewandelt, der alle Fragen zum Thema Baumwolle neutral bewertet und auf Grund seiner Expertise unvoreingenommen und sachlich fundiert kommentieren kann.
Wie unterstützt die Baumwollbörse die Partner bei der Sicherstellung von Qualität?
Es ist nicht die Aufgabe der Bremer Baumwollbörse, den Marktteilnehmern Qualitätsansprüche zu diktieren oder vorzugeben. Aber speziell durch die Zertifizierung von HVI-Labors in allen Teilen der Welt erhöhen wir substantiell die Verlässlichkeit und Genauigkeit von Baumwollqualitätsprüfungen. Durch die ICA Bremen, das Joint Venture zwischen der Bremer Baumwollbörse und der ICA in Liverpool, sind wir das internationale Zentrum für Baumwollprüfung, Schulung und Zertifizierung geworden. Außerdem sorgt unser eigener sehr hoher Qualitätsanspruch für entsprechende Qualitätsstandards und Benchmarks in der gesamten Industrie.
Die Baumwollbörse ist amtliches Schiedsgericht. Was bedeutet die Funktion für das internationale Ansehen der Baumwollbörse?
Die weltweite Anerkennung als amtliches Schiedsgericht im Baumwollhandel hilft uns ungemein in unserem Streben als unabhängiger Fachverband wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Speziell unsere Funktion, über die ICA Bremen als ultimatives und vertraglich bindendes Schiedsgericht bei Qualitätsstreitigkeiten weltweit anerkannt zu sein, ist nicht nur für das Ansehen der BBB von herausragender Bedeutung, sondern auch für das Land Bremen, dessen Name damals bei der Gründung der ICA Bremen nicht umsonst mit verankert wurde.
Welche Bedeutung haben Schulungen von mit Baumwolle betrauten Mitarbeitern in Handel und Industrie?
Die Bedeutung von Schulungen kann gar nicht hoch genug angesetzt werden. Baumwolle ist ein sehr hochpreisiger Rohstoff, bei dem kleinste Qualitätsunterschiede sehr große Preisunterschiede verursachen können. Gerade für kleinere und noch nicht so weit entwickelte Anbauländer sind diese Schulungen unabdingbar, um im internationalen Handel ihr natürliches Interesse an der fairen Bewertung ihres Produktes durchsetzen zu können.
Was kann getan werden, um die Beliebtheit und Verwendung von Baumwolle zu steigern?
Passend zur Frage komme ich gerade von einer Baumwollkonferenz in Brasilien zurück, bei der am Rande der Präsident des Baumwollexportverbandes der USA (ACSA) den Gedanken eines Zusammenschlusses der 4 größten Baumwollexportländer (USA, Brasilien, Australien und Indien) zur gemeinschaftlichen Promotion von Baumwolle aufwarf. Nur in gemeinsamen Anstrengungen sowie durch eine klare Benennung der Vorteile der Naturfaser als auch der Nachteile der Kunstfaser wird man zu Erfolgen kommen.
Wie beurteilen Sie die Mitarbeit der Bremer Baumwollbörse im deutschen Textilbündnis?
Die Bremer Baumwollbörse hat sich am Anfang sehr schwer damit getan, sich dem Textilbündnis anzuschließen. Nun dürfen wir im Nachhinein sagen, dass es damals die absolut richtige Entscheidung war, in diesem politischen Ausschuss unsere unabhängige Expertise einzubringen und dort Interessenverbänden und zum Teil ideologisch argumentierenden Organisationen mit sachlich begründeten Argumenten die Stirn zu bieten. So können wir dazu beitragen, dass sich die ganze Diskussion nicht zu weit von den vorherrschenden Realitäten entfernt.
Wo steckt noch Potential, um das Ansehen der Baumwollbörse in Politik und Gesellschaft zu steigern?
Wir können heutzutage sehr stolz auf unser extrem hohes Ansehen in der Baumwollwelt sein. Hier noch viel größeres Potenzial zu sehen, erscheint mir ein bisschen zu ambitioniert. Auch in der Politik sind wir durch die Mitarbeit im Textilbündnis und unsere Kooperation mit der GIZ schon sehr gut aufgestellt. Im Gegenzug sehe ich durchaus noch Möglichkeiten, die Bekanntheit der Baumwollbörse und das Wissen um unsere Fähigkeiten beim Einzelhandel und seinen Kunden, dem Endverbraucher, noch besser zu verankern.
Vielen Dank für das Gespräch!