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24. Oktober 2017 / INNOVATION MUSS MEHR TREIBER DES BAUMWOLLKONSUMS SEIN

In der Baumwollwirtschaft dominiert noch immer eine Produktionsorientierung. Hierin kann ein entscheidender Nachteil gegenüber den immer stärker werdenden Chemiefasern gesehen werden. Chemiefasern stehen unbegrenzt und jederzeit zur Weiterverarbeitung zu neuen Produkten zur Verfügung. Zudem sind sie den Naturfasern durch langjährige Investitionen in Forschung und Entwicklung bei ihrer Verwendung vielfach überlegen. Die Redaktion des Bremen Cotton Report ließ sich von Jürg Reinhart in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Schweizer Paul Reinhart AG erklären, welche Lösungen aus dem Dilemma befreien. Jürg Reinhart ist außerdem Präsident der International Cotton Association (ICA), Liverpool.

Jürg Reinhart - Vorstand der Paul Reinhart AG Bremen Cotton Report: Herr Reinhart, was sind aktuell und in den letzten zehn Jahren die treibenden oder auch behindernden Kräfte, die maßgeblich die globale Baumwollproduktion beeinflussen?

Jürg Reinhart: Aus globaler Sicht wird das Baumwollangebot bekanntlich durch den zu erzielenden Marktpreis, den Wettbewerb mit anderen Fasern, aber auch mit anderen Feldfrüchten beeinflusst. Ein Spezifikum für die Baumwolle ist jedoch, dass gesteigerte Produktionsmengen im Gegensatz zu anderen Feldfrüchten wie Soja oder Getreide, global und über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahre betrachtet, nicht zu einem Anstieg der Baumwollanbaufläche geführt haben.

Was waren hier die Ursachen? 

Einen großen Einfluss auf die Produktionsmengen haben bei Baumwolle Ertragsverbesserungen in einzelnen Anbaugebieten. Sie resultieren zum einen aus dem Einsatz von ertragreicherem Saatgut mit verbesserter Faserqualität. Zum anderen ist es eine effizientere Baumwollanbaupraxis, gestützt durch praktische Erfahrung, Aus- und Weiterbildung wie etwa in Brasilien und Australien und in einigen Entwicklungsländern. Last, but not least haben Resultate von Forschung und Entwicklung einen großen Einfluss gehabt. Hierzu zählen integrierte Pflanzenschutzmaßnahmen und auch der Einsatz von Bt-Baumwolle, die deutlich zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit beigetragen haben. In Zukunft könnte dies auch verstärkt die Digitalisierung zur Kontrolle und Steuerung der Produktion sein.

Wie beurteilen Sie den Einfluss konkurrierender Agrarprodukte auf die Nachfrage?

Fast überall auf der Welt können Baumwollbauern frei und flexibel entscheiden, was sie passend zu ihren Böden wie auch zum regional vorherrschenden Klima anbauen. Sollte für sie etwa mit Getreide, Soja oder Zuckerrohr und Sesam ein besserer Preis erzielt werden können oder verfolgen sie andere Interessen, geht die Baumwollanbaufläche zurück. Dies stellen wir z. B. in einigen Gebieten in Indien oder auch in Afrika fest. Auch die Kosten des Baumwollanbaus im Verhältnis zu denen konkurrierender Agrarprodukte beeinflussen die Entscheidung, was angebaut wird. Derzeit ist Baumwolle global betrachtet im Verhältnis zu anderen Feldfrüchten noch immer eine Cashcrop und es sollte einiges dafür getan werden, dass dies so bleibt.

Welche Faktoren treiben in Zukunft den Baumwollkonsum?

Preise und die Verfügbarkeit von Rohstoffen sind und bleiben wesentliche Einflussfaktoren des Faser- und damit auch des Baumwollkonsums. Wir können davon ausgehen, dass der Verbrauch an Fasern weiterhin wächst. Das Wachstum selbst wird aber im Wesentlichen von den Chemiefasern dominiert werden, deren Preise in Korrelation zu den derzeit niedrigen Ölpreisen niedriger sind als die von Baumwolle. Wenn auch etwas langsamer, wird aber auch der Baumwollkonsum zunehmen.

Wo sehen Sie Defizite gegenüber Chemiefasern?

Baumwolle wird als natürliche, regenerative und biologisch abbaubare und deshalb nachhaltige Faser z. B. in Heim- und Haustextilien oder im Wäschebereich sehr geschätzt. Im Bereich der Outdoorkleidung dominieren aufgrund der technischen Eigenschaften mit Mehrwertcharakter aber die Chemiefasern. Die Baumwollwirtschaft hat sehr viel in Forschung und Entwicklung im Bereich des Baumwollanbaus investiert. Die Investitionen in die Entwicklung von High­tech-Konsumeigenschaften, wie sie bei Chemiefasern dominieren, hinken aber hinterher. Erst jetzt hat die Kommunikation über erste sehr interessante Ergebnisse begonnen. Hier sind es nach meinem Eindruck aber eher die Startup-Unternehmen, die es schaffen, sich von althergebrachten Denkmodellen zu lösen und die die natürlichen Eigenschaften von Baumwolle nutzen, um sie für Hightech- und Smart-Textilprodukte einzusetzen.

Welche Rolle spielt beim ­Konsum das Thema Nachhaltigkeit?

Fest steht, dass nachhaltiger Konsum stärker in das Bewusstsein von Kon­sumenten rückt. Große Einzelhandelsketten und die Textil- und Bekleidungsindustrie gehen darauf ein und entwickeln langsam eigene Nachhaltigkeitsstrategien. Faktum ist nach unserer Erfahrung aber, dass das Thema Biobaumwolle auch wegen seiner Restriktionen im Anbau und bei der Verfügbarkeit nach wie vor eine Nische in der Nische ist. Stattdessen gewinnen Gruppierungen wie die Better Cotton Initiative eine schnell wachsende Bedeutung, weil sie versuchen, den konventionellen Baumwollanbau durch konsequente Schulungen, zugeschnitten auf die lokalen Gegebenheiten, nachhaltiger, produktiver und ressourcenschonender und nach ökologische Maßgaben modern weiterzuentwickeln.  

Wir danken für das Gespräch!

 

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