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30. Mai 2023 / Im Gespräch: Izmir Commodity Exchange

Dr. Erçin Güdücü

Interview mit Generalsekretär Dr. Erçin Güdücü, Izmir Commodity Exchange:

 

Seit mehr als 130 Jahren prägt die Izmir Commodity Exchange (ICE) den Baumwollhandel in der Türkei. Die Bremen Cotton Report Redaktion sprach mit Generalsekretär Dr. Erçin Güdücü über die Aufgaben und Besonderheiten der ICE, den türkischen Baumwollhandel sowie die aktuelle Situation in der Türkei nach dem schweren Erdbeben mit mehr als 50.000 Toten.

 

Bremen Cotton Report: Was sind die Aufgaben der Izmir Commodity Exchange und welche Rolle spielt Baumwolle dabei?

Dr. Erçin Güdücü: Die Izmir Commodity Exchange ist eine öffentliche, mitgliedergeführte Berufsorganisation und Börse, die 1891 als erste Warenbörse der Türkei gegründet wurde. Die Hauptaufgaben der ICE sind die Schaffung von Märkten für landwirtschaftliche Rohstoffe, die Regulierung und Registrierung des Handels der in der ICE-Notierungsliste aufgeführten Waren, die Bekanntgabe der Tagespreise dieser Waren sowie die Überwachung der Verantwortlichkeiten von Käufern und Verkäufern.

Baumwolle ist eine der wichtigsten Waren, die an der ICE gehandelt werden. In der ägäischen Region werden jedes Jahr mehr als 550.000 Tonnen Saatbaumwolle und etwa 220.000 Tonnen Fasern produziert. Etwa 40 % der Saatbaumwolle und fast 60 % der in der Region produzierten Baumwolle werden an der ICE gehandelt oder registriert. Die ICE ist der Handelsplatz, an dem zuverlässige und transparente Preise für diesen Rohstoff gebildet werden, daher ist die ICE auch als die „Baumwollbörse“ bekannt.

 

Welche Dienstleistungen bieten Sie Ihren Mitgliedern und der Baumwollbranche an?

Da wir als Börse eine wichtige Rolle auf dem Baumwollmarkt spielen, bieten wir unseren Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen an und führen Projekte zur Unterstützung von Baumwolle, der Mitglieder und des Sektors durch.

Schlichtung: Die ICE bildet Schlichtungskommissionen zur Beilegung von Streitigkeiten, die sich aus dem Handel mit Waren unserer Notierungsliste ergeben.

Informationsservice: Die durch die Registrierung von Geschäften in der ICE gebildeten Preise werden regelmäßig über die Website der ICE verbreitet, ebenso die in den Baumwollhandelssälen ermittelten Markt- und Schlusskurse. Außerdem verfügt die ICE über Datenbanken zu gesamtwirtschaftlichen wie landwirtschaftlichen Entwicklungen.

Labor und Klassierung: Das Izmir Commodity Exchange Laboratory, R&D and Consultancy Services Inc. (IZLADAS) wurde 2013 gegründet. IZLADAS bietet Baumwollprüfungen für alle Akteure der Baumwolllieferkette an. Wir sind sehr stolz darauf, dass das Labor seit vielen Jahren bei den internationalen Bremer Rundtests Spitzenleistungen erbringt.

Lizenzierte Lagerhaltung: Das Ägäische Lagerhaus für landwirtschaftliche Produkte (ELIDAS) führte als erstes ein geprüftes Lagersystem für Baumwolle ein und begann mit der elektronischen Registrierung der eingelagerten Waren.

Studien zur Ernteschätzung: ICE führt seit der Saison 2000/01 Studien zur Schätzung der Baumwollernte anhand von Satellitenbildern und Bodenproben durch.

Eintragung von geografischen Angaben: ICE hat die geografischen Angaben für Baumwolle mit der Bezeichnung „Aegean Cotton“ registriert.
Projekt zur Kennzeichnung GVO-freier türkischer Baumwolle: In der Türkei ist nur gentechnikfreies Saatgut zugelassen. Dies bietet der türkischen Baumwolle eine wichtige Vermarktungsmöglichkeit sowohl auf Baumwollmärkten als auch für die Textil- und Bekleidungsindustrie. ICE führt in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Baumwollrat der Türkei und den Istanbuler Textil- und Bekleidungsexportverbänden ein Projekt durch mit dem Ziel, alle Textil- und Bekleidungsprodukte, angefangen bei Baumwollballen, als „GVO-frei“ zu kennzeichnen.

 

Können Sie uns eine Einschätzung der Situation in der türkischen Baumwoll- und Textilindustrie nach dem schweren Erdbeben geben?

Die von dem verheerenden Erdbeben am stärksten betroffenen Provinzen sind Kahramanmaraş, Gaziantep, Malatya, Diyarbakır, Kilis, Şanlıurfa, Adıyaman, Hatay, Osmaniye, Elazığ und Adana. Die betroffene Bevölkerung zählt über 14 Millionen Menschen, die auf einer Fläche von etwa 110.000 Quadratkilometern leben. Diese Region ist ein sehr wichtiger landwirtschaftliches Gebiet. Etwa 73 % der Baumwollproduktion der Türkei wird in diesen elf Provinzen umfassenden Gebiet angebaut. 40 % der Garn-, Textil- und Bekleidungsfabriken in der Türkei befinden sich in dieser Region. Der durch das Erdbeben verursachte wirtschaftliche Schaden ist enorm, aber wir befinden uns in einem sehr raschen Erholungsprozess. Viele Fabrikgebäude sind betroffen, ebenso wie die Produzenten und Verarbeiter. Wir glauben dennoch, dass die Türkei die Situation schneller überwinden wird, als wir ursprünglich erwartet haben.

 

Welche weiteren Herausforderungen gibt es derzeit auf dem türkischen Baumwollmarkt?

Der Agrarsektor in der Türkei hat, ebenso wie die ganze Welt, aufgrund der jüngsten globalen Ereignisse wie Pandemien, Kriege und wirtschaftliche Probleme schwere Zeiten durchgemacht. Trotz Subventionen sind Kosteninflation, Wettbewerbsprobleme, Nachfrageschwankungen, Unterbrechungen der Lieferkette und Wechselkursschwankungen einige der Hauptprobleme. Diese Herausforderungen wirkten sich sowohl auf die Baumwollmärkte als auch darüber hinaus nachteilig aus.

Zudem ist die Nachfrage nach Baumwolle in dieser Saison erheblich zurückgegangen, wa sich negativ auf die Preisbildung auswirken und einige Erzeuger veranlassen könnte, die Baumwollproduktion aufzugeben. Der durchschnittliche jährliche Baumwollverbrauch der türkischen Textil- und Bekleidungsindustrie liegt bei 1,8 Millionen Tonnen und wir versuchen, den türkischen Anteil zu steigern.

Dazu brauchen wir eine langfristige Politik, die die inländische Produktion erhöht und die Erzeuger schützt. Wir müssen die Baumwollerzeugung nicht nur mit Subventionen, sondern auch mit weiteren Instrumenten unterstützen. Eines davon ist die Einführung intelligenter Technologien sowohl in der Produktion als auch in der Baumwolllieferkette, um die Kosten zu senken und die Nachhaltigkeit zu erhöhen. Auch der Vertragsanbau ist ein weiterer zu berücksichtigender Punkt.

Dürre und extreme Wetterbedingungen aufgrund des Klimawandels bedrohen die nachhaltige landwirtschaftliche Produktion. In den letzten Jahren traten in der Region aufgrund der Trockenheit erste Beschränkungen der Bewässerung in Kraft. Leider könnten diese Beschränkungen wiederum Einfluss auf die Anbaupräferenzen der Baumwollerzeuger haben. Daher sollten nicht nur in der Türkei, sondern international neue Strategien zum Schutz der Wasserressourcen entwickelt und intelligente Bewässerungs- und Produktionsmethoden sowie gegen Wasserstress resistenteres Saatgut eingesetzt werden.

 

Wir danken für das Interview.

 

Weitere Informationen auf der Website der Izmir Commodity Exchange.

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