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3. August 2021 / Herausforderungen und Chancen einer Kreislaufwirtschaft

Keythemen der 35. Internationalen Baumwolltagung Bremen 2021

Eine zentrale Paneldiskussion der Internationalen Baumwolltagung Bremen fand zum Thema Circular Economy statt. Geleitet wurde das Panel von Simon Ferrigno, Autor und Wissenschaftler, Sustainable & Organic Farm Systems, Großbritannien. Einführend bemerkte Ferrigno, dass es seltsam erscheinen mag, im Zusammenhang mit einer einjährigen Kulturpflanze über eine Kreislaufwirtschaft zu sprechen. Angesichts von Ressourcenknappheit und einer wachsenden Verbrauchernachfrage nach Faserprodukten verfolge die Baumwollindustrie damit allerdings einen interessanten Ansatz.

Die Diskussion zur Kreislaufwirtschaft für den Rohstoff Baumwolle und andere Naturfasern konzentrierte sich auf Aspekte der biologischen Abbaubarkeit und Fasermischungen sowie auf Qualität und Langlebigkeit der Produkte. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion ging es vor allem um verschiedene Konzepte zur Ressourcenschonung, zum Recycling und zur Abfallvermeidung. Auch soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen kamen zur Sprache.

Dr. Pamela Ravasio, Gründerin und Geschäftsführerin, Shirahime, Schweiz, stellte eine Definition des Circular Economy-Konzeptes der Ellen MacArthur Foundation vor. Sie definiert Circular Economy als ein Wirtschaftsmodell, das Abfall und Verschmutzung vermeidet, Materialien und Produkte im Gebrauch behält und natürliche Systeme und Lebensräume regeneriert. Als weiteren Punkt nennt sie die systemische Umgestaltung hin zu einer sozial integrativen Wirtschaft. Für Baumwolle in der Kreislaufwirtschaft ist die Wiederverwendung der Fasern eine besondere Herausforderung. Pamela Ravasio fragte sich in diesem Zusammenhang, wie es gelingen kann, Verbraucher zu ermutigen, Kleidung zur Wiederverwendung zurückzugeben. Zudem sollte die Herstellung von Kleidung aus sortenreinen Materialien mehr Recycling ermöglichen.

Kjersti Kviseth, Gründerin, 2025 Design, Norwegen, arbeitet seit 25 Jahren in der Modeindustrie als Pionierin für Kreislaufsysteme. In ihrem Vortrag betrachtet sie Kreislaufwirtschaft analog zum Lebenszyklus. Dabei geht es um den Übergang von einem Stadium zum anderen, ausgehend von Keimlingen, die im Frühjahr sprießen und im Herbst absterben, um in der nächsten Saison zu Kompost zu werden und neues Leben zu fördern. In der Diskussion betonte sie, dass das Recyceln von Fasern und die Abfallreduzierung zwar wichtig, aber nicht ausreichend seien. Oft dienten diese Aktivitäten als Vorwand, um noch mehr Ware zu produzieren.

Rolf Heimann, CEO, hessnatur Stifung, Deutschland, stellte das Konzept einer „ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft“ vor. Dabei betonte er, dass eine Kreislaufwirtschaft mehr sei als nur Recycling. Erstens, man müsse über die Begriffe des Pre-Consumer- und Post-Consumer-Abfallrecyclings hinausdenken. Dabei seien die folgenden sechs Ebenen der Wiederverwertung zu berücksichtigen:
1) Pflegen und Reparieren, 2) Wiederverwendung 3) Industrielles Upcycling, 4) Post-Consumer-Recycling, 5) Produktionsrecycling und 6) biologische Abbaubarkeit. Zweitens sollten Produkte und Prozesse im Sinne der Kreislaufwirtschaft gestaltet werden, wie zum Beispiel durch die Verwendung sortenreiner Materialien und die Umsetzung von Zero-Waste-Konzepten. Drittens seien weitere technische Innovationen nötig.

Mary Ankeny, Vizepräsidentin Pro­duktentwick­lung und Implementation, Cotton Incorporated, USA, ging auf die spezifischen Kreislauf­bedingungen von Baumwolle ein: Baumwolle ist eine natürliche, vielseitige Pflanze, die in der Erde wächst und dafür Sonnenlicht und Wasser nutzt. Baumwolle nimmt Kohlendioxid auf und speichert es in der Pflanze und der Faser. Ein hochwertig produziertes Baumwollprodukt kann jahrelang verwendet und anschließend zur Weiterverwendung gespendet werden. Baumwolle ist biologisch abbaubar in der Erde, im Kompost, sowohl in Süß- als auch in Salzwasserumgebungen. Mary Ankeny gab zu bedenken, dass die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft im Einzelfall betrachtet werden sollte und alle wesentlichen Einflussfaktoren im Rahmen von Lebens­zyklusanalysen (LCAs) berücksichtigt werden müssten. Nur so könne sichergestellt werden, dass durch dieses Modell keine unbeabsichtigten Umweltschäden verursacht würden.

Ernst Grimmelt, CEO, Velener Textil GmbH, Deutschland, stellte ein von Velener Textil entwickeltes Re­cyclingverfahren für unbenutzte Baumwollgarne und Rohgewebe in Spinnereien und Webereien vor. In dem System namens Wecycled werden ungenutzte Garn- und Gewebereste aus dem Produktionsprozess mechanisch wieder in Fasern umgewandelt. Da die zurückgewonnenen Fasern kürzer sind, mischt man sie mit Rohbaumwolle für die Garnherstellung. Ernst Grimmelt bemerkte, dass jedes Textilunternehmen ein System zur Abfallreduzierung habe. Velener Textil entwickelte das Wecycled System, um ungenutzte Fasern zu recyclen und soziale Verantwortung zu fördern.

Soziale Bedingungen, ganzheitliche Nachhaltigkeit und biologische Abbaubarkeit

In der weiteren Diskussion griffen die Teilnehmer verschiedene Aspekte nachhaltiger Textilproduktion und Kreislaufwirtschaft auf. Pamela Ravasio lenkte den Fokus weg von ökologischer Nachhaltigkeit auf soziale Bedingungen in der Produktion und auf die Tatsache, dass die Textilindustrie in vielen Entwicklungsländern ein wichtiger Arbeitgeber ist. Auch Kjersti Kviseth forderte soziale Belange schon bei der Produktgestaltung stärker zu berücksichtigen.

Ausgehend von einem ganzheitlichen Ansatz stellte Rolf Heimann sieben Säulen der Nachhaltigkeit vor: Produktentwicklung, Produktion, Arbeitsbedingungen, faire Handelsbeziehungen mit verschiedenen Interessengruppen, Marken- und Unternehmensführung und die Verbraucher. Auch er betonte, dass Nachhaltigkeit mit dem Design beginne und nannte dazu ein Beispiel: Ein T-Shirt, das aus gezwirnten Garnen hergestellt werde, sei zwar teurer, aber auch haltbarer und könne mehr als 50 Wäschen lang halten. Langlebigkeit sei Teil der Nachhaltigkeit. Die Gestaltung von Produkten mit sortenreinen Fasern erleichtere das Recycling.

Mary Ankeny fügte hinzu, dass das Schöne an Baumwolle sei, dass sie biologisch abbaubar sei. Sie wies außerdem auf ein Forschungsprojekt von Cotton Incorporated hin, das Rückgewinnung von Baumwolle aus Mischgarnen und Geweben, sogar aus gefärbten und fertigen Stoffen, untersucht. Dabei kann die Glukose aus der Baumwolle zurückgewonnen und der biochemischen Indus­trie zugeführt werden.

Paneldiskussion zur Kreislaufwirtschaft

Die von den Sprechern der Internationalen Baumwolltagung Bremen zur Verfügung gestellten Präsentationen und wissenschaftlichen Aufsätze sind auf der Website der Bremer Baumwollbörse abrufbar:

Präsentationen, Vorträge und wissenschaftliche Artikel zur 35. Internationalen Baumwolltagung Bremen

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