Bremen und die Baumwolle sind seit mehr als 200 Jahren eine Einheit. Das bestätigte einmal mehr die 34. Internationale Baumwolltagung, die vom 21. bis 23. März unter dem Motto Cotton Insights im historischen Rathaus stattfand. Über 500 Teilnehmer aus 40 Ländern stellten unter Beweis, dass Bremen als Stadt des internationalen Handels, durch seine Häfen verbunden mit der ganzen Welt, über eine hohe Anziehungskraft verfügt, vor allem wenn es um das Thema Baumwolle geht.
Mittlerweile hat sich die Baumwolltagung durch Veranstaltungen im Umfeld zu einer facettenreichen ‚Cottonweek‘ entwickelt. Schon am Montag und Dienstag vor dem offiziellen Beginn fanden die ersten Fachtreffen der Branchenorganisationen ICAC, ITMF und IVGT statt. Zudem tagten am Rande Gruppen wie DNFI, CICCA, SEEP, IFCP sowie ACME.*
Sustain mit Brückenschlag zum Verbraucher
Durch die Partnerschaft zwischen der renommierten Tageszeitung Weser-Kurier als Veranstalter und der Bremer Baumwollbörse gelang es am Dienstag, dem 20. März mit der Nachhaltigkeitskonferenz Sustain sehr eindrucksvoll mit großem Medienecho eine Brücke Richtung Endverbraucher zu schlagen und gleichzeitig objektives Wissen über Baumwolle zu vermitteln. Schwerpunktthema war Afrika. Fritz A. Grobien in seiner Funktion als Vizepräsident der Bremer Baumwollbörse und Afrika-erfahrener Baumwollhändler begrüßte das Publikum zur Eröffnung. Zudem nahm er am Nachmittag an einer spannenden Podiumsdiskussion zu Fragen der Landwirtschaft in Afrika teil. Nach seiner Meinung ergibt sich aus der Arbeit mit der Naturfaser sowie aus den Möglichkeiten der Weiterverarbeitung des Rohstoffes in Anbauländern eine große Chance für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents. Dies führe zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zu mehr Einkommen. In seiner Rede warnte Grobien vor einem Ökokolonialismus westlicher Länder in Afrika gegen den Willen der Beteiligten und verteidigte sein Argument mit guten Gründen auch in der später folgenden spannungsgeladenen Podiumsdiskussion.
Herausforderungen und Lösungen
Die sich daran anschließende 34. Internationale Baumwolltagung bot an drei Tagen ein vollständig überarbeitetes, thematisch in Breite und Tiefe überzeugendes Konzept. Von Mittwoch bis einschließlich Freitag der laufenden Woche erhielten die Besucher die Gelegenheit, sich auf allen wesentlichen Stufen der Baumwollwertschöpfungskette vom Baumwollfeld über die Verarbeitung bis zum Einzelhandel über den jeweiligen Umgang mit Baumwolle zu informieren und sich dazu auszutauschen. Ziel war es, Lösungen für zukünftige Herausforderungen auf jeder Stufe zu diskutieren und aufzuzeigen. So konnten in der Beschaffungskette verlorene Kenntnisse über Baumwolle wieder aufgefrischt werden. Dazu gehörte die Klärung von Fragen zur Verbesserung der Baumwollqualität, aber auch Themen wie Rückverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit, Produktinnovation und ‚last but not least‘ auch das alles übergreifende Thema Digitalisierung entlang der gesamten Beschaffungskette.
„Der Baumwollkonsum steigt aufgrund der positiven Entwicklung der Weltwirtschaft und der Beschleunigung der Konsumentennachfrage nach Textilien. Dies sind erfreuliche Entwicklungstendenzen im Baumwollanbau. Vor diesem Hintergrund bietet sich zur Internationalen Baumwolltagung die Möglichkeit, sich der Steigerung der Baumwollverwendung zuzuwenden und sich darauf zu konzentrieren, wie wir die Attraktivität der Baumwolle in den Augen der Konsumentinnen und Konsumenten weiter steigern können“, so Henning Hammer, Präsident der Bremer Baumwollbörse in seiner Eröffnungsrede zu Beginn der Baumwolltagung.
Die Eröffnung begann neben der Rede des Präsidenten der Baumwollbörse mit Ansprachen des Bremer Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Martin Günthner, sowie Prof. Dr. Axel Herrmann, Direktor des Faserinstituts Bremen.
Vielbeachtetete Keynote Session
Schon die Keynote-Session zu Beginn der Tagung zog die Besucher im vollbesetzten Vortragsforum des Bremer Rathauses in ihren Bann. Kai Hughes, geschäftsführender Direktor des International Cotton Advisory Committee, Washington, stellte das ICAC als treibende Kraft für Veränderungen in der Baumwollwirtschaft vor, die es gemeinsam mit Marktpartnern, wie auch der Bremer Baumwollbörse anzuschieben gilt. Mark Messura von Cotton Incorporated, Cary, USA, präsentierte neue Produktideen für Baumwolle mit intelligenten Eigenschaften und Nutzen für Verbraucher. Robert Antoshak, Geschäftsführer des US-Handelsunternehmens Olah Inc., warnte die Verfechter des Biobaumwollanbaus davor, den Anbau von Baumwolle nach allgemein üblichen Methoden nach wie vor mit nicht mehr gültigen Thesen zu verteufeln. Dies gefährde das Ansehen der Baumwolle und könnte dazu führen, dass Baumwolle in Zukunft von der Menge her betrachtet eine ebenso bescheidene Rolle wie etwa die Wolle führen könnte. Die Verbraucher seien beim Kauf von Bekleidung ohnehin in erster Linie an der Mode und am Preis interessiert, was sie verlangten sei zunehmend Transparenz bezüglich der Herkunft der von Ihnen gekauften Produkte. Michael Alt und Eugen Weinberg, Rohstoffanalysten der Commerzbank AG, erläuterten die Preisbildungsmechanismen für Baumwolle und entschärften die allgemein vorherrschende Furcht vor einer Preistreiberei durch den Warenterminhandel.
Wunschmodell digitale Microfactory
Die Session Digitalisierung bot einen umfassenden Überblick über die Möglichkeit einer Steuerung und Kontrolle von Prozessen mit Hilfe von mobilen Geräten wie Smartphones oder Ipads, verbunden mit dem Internet. Eine App, speziell entwickelt für kleine Farmbetriebe, die den Bauern auf allen Stationen des Baumwollanbaus begleitet und gleichzeitig für Schulungszwecke genutzt werden kann, stieß auf großen Interesse bei den Tagungsteilnehmern. Zusätzlich gab es Informationen über die computergesteuerte Kontrolle von Verunreinigungsgraden von gelieferter Baumwolle. Ein weiteres Highlight war die Vorstellung des Modells einer digitalen Microfactory.
Qualitätsbaumwolle für Qualitätstextilien
Qualität spielt überall eine entscheidende Rolle besonders an den Nahtstellen zwischen Baumwollproduktion und -handel einerseits und Spinnereien, Webereien, Ausrüstung und Konfektion andererseits. Baumwollqualitätsfragen und Qualitätstests haben also große Bedeutung. Basis der Diskussion waren die Ergebnisse einer weltweit durchgeführten Umfrage, bei denen es um die Erwartungen von Spinnereien, Webereien und Strickereien an die Qualitätseigenschaften von Baumwolle ging.
Rückverfolgbarkeit mit viel Bewegung
Besonders starkes Interesse zeigten die Besucher am Thema Rückverfolgbarkeit von Baumwolle. Fakt ist, dass Käufer von Baumwolle z. B. wissen wollen, ob ihre Lieferanten versprochene Nachhaltigkeitskriterien einhalten. Hierbei wurden Möglichkeiten und Grenzen von Techniken wie DNA-Tests, Fingerabdruck-Analyse, Marker-Methoden und Block-Chain-Verfahren kontrovers diskutiert.
Baumwollintelligenz wird Thema
Die Tagung zeigte zudem, dass Baumwolle zunehmend mehr Verwendung in technischen Produkten findet: so z. B. in innovativen 3D-Textilien, durch biologisch abbaubare Verbundwerkstoffe in Form von Noppenwaben aus Baumwolle und Polylactid zur Verwendung im Bereich der Innenarchitektur oder in baumwollfaserverstärkten Kunststoffen aus Mikro-Spritzguss. Diese Entwicklungen machen deutlich, dass Baumwolle über die Bekleidungsfertigung hinaus wegen ihrer Eigenschaften in Segmenten Einzug hält, die bisher durch Chemiefasern besetzt waren.
Nachhaltigkeit muss definiert werden
Natürlich wurden auch Fragen der nachhaltigen Entwicklung von Baumwolle intensiv diskutiert. Auch das deutsche Bündnis für nachhaltige Textilien spielt hierbei eine aktive Rolle. Das Problem der Branche: Nach wie vor fehlt es an einer weltweit einheitlichen Nachhaltigkeitsdefinition von Baumwolle. Somit ist auch ein Vergleich der Messungen von Nachhaltigkeitsfortschritten innerhalb der Baumwollwirtschaft nur bedingt möglich. Die Ergebnisse von Life-Cycle-Analysen variieren stark und sind sehr fehleranfällig. Vielfach fehlt es an der Berücksichtigung von lokalen und saisonalen Besonderheiten. Unabhängig davon bleibe es ein Ziel, Verbraucher von der Nachhaltigkeit des Rohstoffs Baumwolle immer wieder aufs Neue zu überzeugen. In Sachen Kommunikation bedürfe es aber eines Formats, das Konsumenten begeistert und nicht verunsichert
Fazit
Was die internationale Baumwolltagung ausmacht, beschrieben Elke Hortmeyer, Bremer Baumwollbörse, sowie Axel Drieling, Faserinstitut Bremen, für das Organisationsteam zum Abschluss wie folgt: „Wir haben festgestellt, es besteht der Wunsch nach Netzwerk, nach Diskussion, vor allem auch nach persönlicher Diskussion und nach Daten und Fakten.“
„Die Bremer Baumwolltagung ist einzigartig, weil sie die so diverse Welt der Baumwolle an einem Ort zusammenbringt. Sie ist immer wieder eine großartige Gelegenheit, Innovationen kennenzulernen, mit Baumwollhändlern zu sprechen und sich einen Überblick über die Branche zu verschaffen“, fasst Kai Hughes, geschäftsführender Direktor des ICAC, seinen Besuch der Tagung zusammen
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Bildernachweise:
Sustain-Bild: © Weser-Kurier
Tagungsbilder: © Bremer Baumwollbörse, Fotograf Mathias Ulrichs