Interview mit Dr. Ed Barnes, Senior Director der Agrar- und Umweltforschung bei Cotton Incorporated, USA.
Wasserverbrauch im Baumwollanbau ist einer der zentralen Aspekte in der Nachhaltigkeitsdiskussion um den Rohstoff. Wir haben im Nachgang der Internationalen Baumwolltagung Bremen einen in der Fachwelt renommierten Experten zum Thema befragt: Dr. Ed Barnes, Senior Director der Agrar- und Umweltforschung bei Cotton Incorporated, USA. Dr. Barnes erläutert im Interview mit der Cotton Report-Redaktion die wesentlichen Punkte der Wasserdiskussion.
Bremen Cotton Report: Weshalb kursieren so unterschiedliche Zahlen zum Wasserverbrauch von Baumwolle?
Ed Barnes: Für die unterschiedlichen Angaben zur Wassernutzung gibt es verschiedene Gründe. Einer davon ist die Verwendung veralteter Daten, die die aktuelle globale Wassernutzung nicht korrekt wiedergeben. Beispielweise können viele der überhöhten Zahlen im Internet auf ein 1999 veröffentlichtes Whitepaper zurückverfolgt werden. Dieses gab den Wasserbedarf zur Erzeugung von einem Kilo Baumwolle mit 7.000 bis 29.000 Litern an. Der höhere Wert resultierte aus einer Studie, in der die Baumwollerträge durch Insektenbefall bei unter 100 Kilogramm pro Hektar lagen. In den letzten 20 Jahren nahmen die weltweiten Erträge jedoch deutlich von durchschnittlich 600 auf 750 Kilogramm pro Hektar zu, ohne dabei den Wasserbedarf zu erhöhen. Daher ist es so wichtig, aktuelle Daten zu nutzen.
Einen weiteren Grund für Verwirrung stiften die verschiedenen Arten, den Wasserbedarf zu erfassen sowie ein unpräziser Umgang mit den entsprechenden Begrifflichkeiten. Beispielsweise enthalten manche Kennzahlen Niederschläge, manche nur Bewässerung. Während einige Zahlen wiederum den Wasserbedarf zur Erzeugung eines Kilogramms Saatbaumwolle (inklusive Samen) angeben, betrachten andere nur die Fasererzeugung. Meine bevorzugte Metrik ist “blaue Wassernutzung” im Rahmen einer Ökobilanzanalyse (Life cycle assessment (LCA)). Diese Kennzahl gibt an, welche Menge an Wasser an zusätzlicher Bewässerung eingesetzt wird, um ein Kilo Baumwolle von Feld bis zum Ballen zu produzieren. Nach der 2015 von Cotton Incorporated durchgeführten LCA-Studie liegt der globale Schätzwert für den Wasserverbrauch durch Bewässerung von Baumwolle bei 1560 Litern pro Kilogramm Faser. Diese Studie basiert auf Landwirtschaftsdaten aus den USA, Indien, China und Australien. (Zur LCA-Studie)
Also benötigt Baumwolle tatsächlich viel Wasser?
1560 Liter mögen zunächst nach einer großen Menge klingen, aber in Wirklichkeit ist dies eine typische Größenordnung für viele andere Agrarprodukte. Die jährliche Gesamtmenge an Wasserverbrauch einer Baumwollkultur liegt unter dem eines Rasens. Zudem entfallen auf Baumwolle nur drei Prozent des weltweiten landwirtschaftlichen Wasserbedarfs (weitere Details im Factsheet über Wasser und Baumwollproduktion).
Können Sie die “Wasserfarben” erklären und verdeutlichen, inwiefern sie hilfreich sind, den Wasserverbrauch von Agrar- und anderen Produkten zu bewerten?
Gerne. Ähnlich zum Konzept des „CO2-Fußabdrucks“ wurde die Idee eines „Wasserfußabdrucks“ entwickelt. Der Wasserfußabdruck bezeichnet die Summe der Nutzung von grünem, blauem und grauem Wasser. „Grünes“ Wasser ist im Wesentlichen das Wasser der Niederschläge, die auf dem Feld niedergehen und von der Pflanze dort genutzt werden. „Blaues“ Wasser umfasst jenes Wasser, das dem Grundwasser, Flüssen oder Seen entnommen wurde, um ein Produkt zu erzeugen. „Graues“ Wasser stellt die Wassermenge dar, die zur Verdünnung der mit der Herstellung eines Produkts verbundenen Verschmutzung benötigt wird. Die Berechnung von blauen und grünen Wassermengen ist relativ einfach. Die Bestimmung des grauen Wasserbedarfs ist dagegen komplizierter, da dieser die erforderliche Wassermenge berücksichtigt, um bestimmte Wasserqualitätsstandards zu erfüllen sowie den Verbleib und Transport von Chemikalien betrifft. Daher kommt es bei der Berechnung von grauem Wasserbedarf häufiger zu Fehlern als bei grünem und blauem.
Zu beachten ist dabei, dass der Fußabdruck nur auf dem Wasserverbrauch basiert. Das heißt, er umfasst Wasser, das ein Wassereinzugsgebiet verlässt und an anderer Stelle als Niederschlag fällt. Der Fußabdruck bildet aber nicht das Wasser ab, das verbraucht und dann in dasselbe Wassereinzugsgebiet zurückgeführt wird. Beispielsweise ist der Wasserverbrauch von Kraftwerken zur Energieerzeugung recht hoch. Dieses Wasser trägt jedoch nicht zum Wasserfußabdruck eines Produkts bei, da ein Großteil des Wassers zur Kühlung verwendet wird und wieder in den ursprünglichen See oder Fluss zurückgeführt wird.
Aus diesem Grund sind Vergleiche der Wasserfußabdrucke von landwirtschaftlich basierten Produkten mit solchen ohne landwirtschaftliche Vorprodukte nur teilweise aussagekräftig. In diesem Zusammenhang ist es immer wichtig, sich vor Augen zu führen, dass das auf dem Feld eingesetzte Wasser verdunstet und dadurch nicht an Qualität verliert oder verloren ist. Dieses Wasser wird zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort wieder zu Niederschlag, der wiederum dazu dienen kann, andere Pflanzen anzubauen.
Wo liegen die Unterschiede des Wasserverbrauchs bei biologischen und bei konventionellen Baumwollanbaumethoden?
Die Unterschiede im gesamten Wasserbedarf von biologischer und konventioneller Baumwolle sind in der Regel klein. Bei einem Feld mit konventioneller Baumwolle neben einem Feld mit Biobaumwolle etwa ist das Klima der Hauptfaktor, der den Gesamtwasserverbrauch der Pflanze beeinflusst und ob sie bewässert wird oder nicht. In trockenen, heißen Regionen benötigen Baumwollpflanzen insgesamt mehr Wasser als in kühleren, feuchten Gegenden. Der erhöhte Wasserverbrauch wird im Allgemeinen durch eine steigende Produktivität ausgeglichen, da Baumwolle hitzetolerant ist und von der höheren Sonneneinstrahlung in trockenen Regionen profitiert.
Zu einiger Verwirrung führte ein LCA zum Biobaumwollanbau, bei dem die Mehrheit der in die Studie aufgenommenen Betriebe keine Bewässerung einsetzte. In den meisten Jahren hatte es dort ausreichend Niederschläge gegeben, um den Bedarf der Pflanzen zu decken. Dies führte zu einem deutlich niedrigeren Wert für den Verbrauch von blauem Wasser als der globale Durchschnitt aus der von Cotton Incorporated durchgeführten Studie. Diese Unterschiede ergeben sich jedoch nicht aus dem Produktionssystem (bio-organisch oder konventionell), sondern spiegeln eher die unterschiedlichen Klimazonen in den beiden Studien wider. Zum Beispiel sind viele Baumwollanbaugebiete in den USA auch auf Regenfälle angewiesen (keine künstliche Bewässerung). Daher hätten diese entsprechend einen Verbrauchswert für blaues Wasser nahe Null, unabhängig davon, welche Produktionspraktiken verwendet werden.
Welche Rolle spielt die Bodengesundheit für die Wasseraufnahme und gibt es in diesem Zusammenhang Unterschiede in den Anbaumethoden?
Die Bodengesundheit kann eine große Rolle für die Wasseraufnahme der Baumwollpflanze spielen, insbesondere in Regionen mit Regenfeldbau. Dies sind Gebiete, in denen Baumwolle ohne jegliche Bewässerung angebaut wird, was etwa für 50 Prozent der weltweiten Baumwollproduktion zutrifft. Bei vielen Bodentypen, insbesondere bei sandigen Böden, erhöht eine größere Menge an organischer Substanz im Boden die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern. In einem sehr sandigen Boden kann zum Beispiel eine Zunahme der organischen Substanz um zwei Prozent die Wasserspeicherkapazität des Bodens verdoppeln. Eine reduzierte Bodenbearbeitung sowie der Anbau von Zwischenkulturen zur Bodenbedeckung können die organische Substanz erhöhen. Damit wird zudem die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Niederschläge vom Feld abfließen. Das heißt allerdings nicht, dass diese Praktiken überall geeignet sind. In einigen Regionen mit Regenfeldbau wird beispielsweise der im Boden gespeicherte Niederschlag des Winters für den Baumwollanbau benötigt und kann nicht für eine Deckfrucht genutzt werden.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wasserangebot und Baumwollerträgen sowie Qualitätseigenschaften der Faser?
Während Baumwolle zwar hitze- und trockenheitstoleranter ist als die meisten Nutzpflanzen, wird ihre Produktivität dennoch durch Wasserstress beeinflusst. Wasserstress während der Faserbildung kann auch die Länge und Gleichmäßigkeit der Faser reduzieren, da es der Turgordruck in der Pflanze ist, der die Ausdehnung der Faser ermöglicht. Solange es also eine verantwortungsvoll nutzbare Wasserquelle gibt, ist die Bewässerung eine nachhaltige Praxis, da sie die Menge an Land minimiert, die für die Erzeugung von einem Kilogramm Baumwolle benötigt wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bonus -Link – Zusammen mit weiteren Autoren habe ich 2020 eine Studie veröffentlicht, die untersucht, welche Technologien zur Produktivitätssteigerung von Baumwolle beigetragen haben: https://cottoncultivated.cottoninc.com/wp-content/uploads/2020/12/Fourty-years-Cotton-Water-Online26Aug2020.pdf.
Die Interviews entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.