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7. November 2024 / Nachgefragt: Bürokratie abbauen durch Angleichung und Benchmarking von Standards

– Interview mit Roger Peltzer, langjähriger Abteilungsleiter der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft und Mitgestalter des Cotton made in Africa-Standards –

Im Interview mit der Bremen Cotton Report Redaktion beschreibt Roger Peltzer, wie der Verwaltungsaufwand für Unternehmen durch die Vereinheitlichung von Standards gesenkt werden könnte. Er sieht Potenzial darin, bestehende Zertifikate stärker anzuerkennen, um parallele Prüfungen und Berichte zu vermeiden.

Bremen Cotton Report: An den Berichtspflichten gemäß dem deutschen und europäischen Lieferkettengesetz gibt es von den Verbänden der Wirtschaft und auch aus dem Textilhandel Kritik, weil die Vorgaben zu viel Bürokratie führen würden: ist diese Kritik berechtigt?

Roger Peltzer, langjähriger Abteilungsleiter der DEG und Mitgestalter des CmiA-Standards

Roger Peltzer: Zunächst ist festzustellen, dass sich viele Textilunternehmen schon lange vor dem Inkrafttreten der Lieferkettengesetze freiwilligen Standards angeschlossen haben, die genau die Einhaltung der Sorgfaltspflichten garantieren, die das Lieferkettengesetz einfordert. So haben über 60 Unternehmen der Textilbranche erfolgreich eine Zertifizierung nach dem Grünen Knopf durchlaufen, darunter große Unternehmen wie Lidl, aber auch Mittelständler wie Dibella. 33 Textilunternehmen verkaufen Produkte gemäß dem Cotton made in Africa-Siegel (CmiA), darunter Otto und Tchibo, aber auch Mittelständler wie Harko. Aus dem Kreise dieser Unternehmen gab es dann auch viele Stimmen, die nachdrücklich für das Lieferkettengesetz eingetreten sind, weil sie für sich gleiche Wettbewerbsbedingungen eingefordert haben.

Aber in einem Punkt ist die Kritik der Wirtschaft durchaus berechtigt. Die Umsetzung des Lieferkettengesetzes könnte wesentlich weniger bürokratisch gestaltet werden.

Sie sagen, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf den Weg gebrachte Grüne Knopf würde schon die Einhaltung der vom Lieferkettengesetz geforderten Sorgfaltspflichten sicherstellen. Können Sie das begründen?

Ende September gab es ein gemeinsames Online-Seminar des Grünen Knopfes und des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die BAFA ist dem Wirtschaftsministerium zugeordnet und stellt die Überwachung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten des Lieferkettengesetzes sicher. In diesem Webinar wurde eine Analyse vorgestellt, der zu Folge mindestens 85 Prozent der nach dem Lieferkettengesetz einzuhaltenden Sorgfaltspflichten vollumfänglich mit den Anforderungen des Grünen Knopfes übereinstimmen. Wo dies nicht der Fall war, waren die Anforderungen des Grünen Knopfes zum Teil „strenger“ bzw. wurden unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet, die aber im Kern den gleichen Sachverhalt abbilden.

Es wurde auch deutlich, dass sowohl der Grüne Knopf wie auch das BAFA geschultes Personal einsetzen, um die entsprechenden Berichte der Unternehmen über die Einhaltung der Kriterien des grünen Knopfes bzw. der Sorgfaltspflichten zu überprüfen. Bei beiden Verfahren gibt es auch eingespielte Beschwerdemechanismen für Betroffene, für den Fall, dass Standards nicht eingehalten werden.

Kommt es so für die Firmen, die sowohl dem Grünen Knopf angehören wie auch verpflichtet sind, gemäß dem Lieferkettengesetz zu berichten, nicht zu doppeltem Aufwand?

Das ist in der Tat der Fall. Es ist auch aus der Sicht des Steuerzahlers schwer verständlich, dass einmal das dem Wirtschaftsministerium angegliederte BAFA überprüft, ob in der Lieferkette Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtstandards eingehalten werden, und dann der weitgehend vom BMZ finanzierte Grüne Knopf nochmal mehr oder weniger exakt die gleichen Standards abprüft.

Das könnte man wesentlich vereinfachen, indem das BAFA von Unternehmen, die nach dem Grünen Knopf zertifiziert sind, keine weiteren Sorgfaltsberichte gemäß dem Lieferkettengesetz mehr einfordert. Zuvor könnte man mit sehr begrenztem Aufwand sicherstellen, dass beide Standards tastsächlich hundertprozentig identisch sind.

Und dieses Vorgehen könnte man dann leicht auf die Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) der EU ausdehnen. Die im Rahmen des Grünen Knopfes zu erstellenden umfassenden Zertifizierungsberichte sollten weitgehend den Anforderungen der CSRD-Richtlinie genügen.

Ein solches Benchmarking würde einen erheblichen Bürokratieabbau bewirken. Dafür sollten und müssten sich die Wirtschaftsverbände einsetzen. Ein zusätzlicher Vorteil wäre, dass auf diese Weise Anreize geschaffen werden, dass mehr Unternehmen beim Grünen Knopf oder auch bei CmiA Mitglied würden. Und das ist es ja, was die Bundesregierung anstrebt.

Nun machen Nichtregierungsorganisationen geltend, dass freiwillige Standards oder Multistakeholder-Initiativen letztlich ihre Versprechen oft nicht einlösen und dass es immer wieder vor Ort zu Verletzungen der Standards kommt, auch durch zertifizierte Unternehmen.

Ich habe schon ausgeführt, dass nach meiner Kenntnis die Überprüfungsmechanismen des Grünen Knopfes mit denen des BAFA weitgehend gleichwertig sind. Insofern gibt es in der Überprüfung der zudem weitgehend gleichwertigen Standards keinen Unterschied.

Und natürlich wird es immer wieder auch Verletzungen von vorgegebenen Standards geben. Das ist ja beim Bio-Siegel für Nahrungsmittel nicht anders. Dennoch wird keiner infrage stellen, dass der Demeter- oder Naturland-Standard nicht in 95 Prozent der Fälle hoch qualitative Bio-Ware garantiert. Wichtig ist, dass es im Grünen Knopf ausgefeilte Beschwerdemechanismen gibt, die sicherstellen, dass Fehlverhalten sanktioniert und abgestellt und dass gegebenenfalls Kompensationen für Geschädigte bezahlt werden. Außerdem würden durch das von mir vorgeschlagene Benchmarking ja Klagemöglichkeiten bei Verstößen nicht ausgeschlossen.

Danke für das Interview!

Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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