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17. Januar 2024 / Logistik nach wie vor anfällig für Störungen

– Interview mit Tobias Wetteborn, Geschäftsführer ESF –

Tobias Wetteborn © Foto: ESF

Das Unternehmen ESF ist ein wichtiger Logistikpartner der Baumwollbranche vor Ort in Bremen. Die Firma bietet mit ihrer Erfahrung aus mehr als 160 Jahren Serviceleistungen im logistischen Handling von Baumwolle und neuerdings auch weiterer Fasern an.  Seit vielen Jahren engagiert sich ESF als Mitglied der Bremer Baumwollbörse in der Logistik-Kommission des Vereins. Tobias Wetteborn leitet seit Anfang 2023 als neuer Geschäftsführer das Unternehmen. Die Redaktion des Bremen Cotton Report sprach mit dem Vertreter in der Logistik-Kommission über aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Logistik mit dem Fokus auf Baumwolle.

Bremen Cotton Report: Das Thema Logistik hat während der Corona-Pandemie große Aufmerksamkeit erhalten, auch weil die Preise in die Höhe schnellten. Hat sich die Lage heute wieder normalisiert?

Tobias Wetteborn: Diese Aufmerksamkeit resultierte aus der Anerkennung der Bedeutung und der Wertschätzung von Logistik. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte kaum jemand die Anfälligkeit der Lieferketten als global realistische Gefahr angenommen. Die Konsequenz war, dass der Fokus auf der Warenverfügbarkeit lag und die Preise extrem in die Höhe schossen.

Seitdem sich die Lieferketten wieder stabilisiert haben, sind die Transportpreise wieder nahe dem Vor-Corona-Niveau angekommen. Die Inflation und die steigenden Kosten machen es aber aktuell für jeden Marktbegleiter herausfordernd. Dadurch konzentrieren sich die meisten Kunden wieder auf Effektivität und Kostenreduzierung.

Die Wertschätzung ist bei unseren Kunden uns gegenüber vorhanden. Die steigenden Kosten haben jedoch Auswirkungen auf die Margen, die kaum auf dem Niveau der Vorjahre zu halten sind.

Staus an Engstellen wie dem Suezkanal und dem Panamakanal haben für Schlagzeilen gesorgt. Gehen Sie davon aus, dass solche Phänomene zunehmen?

Die Indikatoren dafür steigen mit jedem Tag. Der zunehmende Verkehr, größere Schiffe, hoher Zeitdruck, eine sich stark verändernde Umwelt, sich verändernde politische Landschaften sowie mögliche Pandemien sind nur einige Faktoren. Dadurch kann und wird es diese Schlagzeilen in den nächsten Jahren vermehrt geben. Deshalb ist es jetzt die Aufgabe, sich vorab um Alternativen zu bemühen und Risiken zu splitten. Dies sehe ich auch als Aufgabe eines Logistikers.

Welchen Risiken und Herausforderungen steht die Verschiffung von Baumwolle in den nächsten Jahren gegenüber?

Bei Baumwolle handelt es sich um ein Nischenprodukt aus dem Rohstoffsektor. Grundsätzlich gelten für dieses Produkt Risikobewertungen ähnlich wie für andere Rohstoffgüter. Die Verschiffung wurde auf Grund der Brandgefahr bereits bei einigen Reedereien als Gefahrgut eingestuft und ist daher nicht mehr so einfach buchbar. Dies schränkt die Auswahl ein wenig ein.

Aufgrund des Klimawandels besteht auch die Gefahr, dass sich die Verfügbarkeit von Baumwolle verringert. Als Folge dürften dann mehr Lieferungen in größeren Partien erfolgen.

Das Bemühen der Verlader, die Container mit möglichst viel Ware zu beladen, kann dazu führen, dass sich der Aufwand bei der Entladung erhöht und das Risiko einer Beschädigung an der Ware steigt.

Zusätzlich haben sich bestimmte Reedereien auf einzelne Strecken konzentriert. Dieses schränkt die Auswahl der möglichen Partner ein und sorgt für einen Preisanstieg auf diesen Wegen.

Baumwolllager von ESF in Bremen, © Foto: ESF

Welche technischen Entwicklungen hat es in der Logistik in den letzten Jahren gegeben?

Der technische Fortschritt macht sich natürlich auch in unserer Branche bemerkbar – Stichwort Digitalisierung. Hier gibt es mittlerweile sehr viele Möglichkeiten, die uns das Leben einfacher machen und ich bin überzeugt, dass wir den Fortschritt mitnehmen müssen. Gleichzeitig kann man aber nicht alles automatisieren. Hier bin ich dankbar, ein Familienunternehmen zu leiten, bei dem die Menschen weiterhin im Mittelpunkt stehen. Ohne die Expertise unserer langjährigen Fachkräfte würde diesem Unternehmen die „Seele“ fehlen.

Wie sehen Sie die Weltmarktlage und die entsprechenden Auswirkungen auf den Baumwollmarkt derzeit aus Perspektive eines Logistikers?

Der Anteil der Baumwolle in Bremen ist in den letzten Jahrzehnten gesunken. In den letzten Jahren konnte sich das Volumen auf einem Niveau stabil einpendeln. Dies ist bekanntermaßen bedingt durch die Verlagerung der Verarbeitung in andere Bereiche der Welt. Dadurch sind mehr Direktverkehre ohne Umschlag in Bremen entstanden.

In dem Bereich Baumwollhandling am Lager gibt es wenige Spezialisten, die sich mit der Ware genau auskennen. Die Abwicklungen erfolgen hierbei meist in Spitzen, da die Verschiffungen einer Provenienz auf einem Schiff erfolgt. Hierbei zeigt sich die Flexibilität eines guten Logistikers, um die Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen.

Baumwollhandling im Lager © Foto: ESF

Inwiefern betrifft die Diskussion über Nachhaltigkeit in Lieferketten auch Sie als Logistikunternehmen?

Das Thema Nachhaltigkeit betrifft uns sehr. Wir als Logistiker streben aus eigenem Interesse einen möglichst geringen CO2-Abdruck an. Beispielhaft bauen wir unseren Fuhrpark stetig im Bereich Elektromobilität aus, digitalisieren Prozesse, um „papierlos“ arbeiten zu können und sensibilisieren unsere Mitarbeitenden, um Energie-, Wasser und Heizverbräuche in ihrem Bereich auf das unbedingt Nötige zu reduzieren.

Auch die Kunden wünschen sich eine Weiterentwicklung in diese Richtung, was sich durch die Nachfrage nach Zertifizierungen zeigt. In diesen Audits sind Themen wie Nachhaltigkeit sehr präsent und bekommen in jedem Jahr einen größeren Anteil.

Trotzdem gibt es aktuell keinen großen Trend in eine nachhaltige Abwicklung, da die Endkunden nicht bereit sind diese Zusatzkosten zu tragen. Außerdem findet hier der Wettbewerb im Rohstoffbereich international statt und nicht nur europäisch.

Wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.

Mehr Informationen auf der Website von ESF.

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