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3. August 2017 / TVU: Wertschöpfungskette fast ganz in einer Hand

Interview mit Hans Hausner, TVU-Mitinhaber:

Mit ihrem hohen Grad an internationaler Vernetzung aber auch aufgrund ihres hohen Beratungs- und Produkt-Knowhows gehört die TVU-Gruppe zu den führenden Garnhandels- und Veredelungsunternehmen in Europa. Das 1922 gegründete und heute von der dritten und der vierten Inhabergeneration geführte Familienunternehmen überzeugt durch Werte wie Zuverlässigkeit, Service, Qualität und Nachhaltigkeit. Baumwolle spielt im Produktionsportfolio eine entscheidende Rolle. Die TVU ist Mitglied des Vereins der Bremer Baumwollbörse. Das Redaktionsteam des Bremen Cotton Report sprach mit TVU-Mitinhaber Hans Hausner über das Unternehmen aus dem mittelfränkischen Leutershausen im Bundesland Bayern.

Wie ist die TVU-Gruppe heute aufgebaut?

Hans Hausner: Wir sind ein traditionelles, klar strukturiertes und marktorientiertes, zukunftsorientiertes Familienunternehmen. Neben mir führen mein Bruder Gerhard Hausner und mein Sohn Christian Hausner die Geschäfte. Unsere zwei großen Standbeine in Leutershausen sind die TVU Textilveredelungsunion mit 130 Mitarbeitern und einem Produktionsvolumen von etwa 4.500 Tonnen jährlich sowie der TVU Garnvertrieb mit einem jährlichen Handelsvolumen von ca. 10.500 Tonnen Garn und 20 Mitarbeitern. Neben Leutershausen verfügen wir über Vertriebsbüros in Tschechien, Ungarn und Slowenien. Hinzu kommt die 2010 gemeinsam mit einem Partner gegründete Ascentex Exim LLP in Singapur. Der Gesamtumsatz der TVU Gruppe betrug 2015/16 47 Millionen Euro. Dazu trug der Export mit annähernd 44 Prozent bei.

Wie ist der TVU Garnvertrieb strukturiert?

Das Spezialgebiet der TVU Garnvertrieb sind eindeutig Baumwollgarne und Mischungen in Baumwolle/Polyester und Baumwolle/Acryl. Rohmaterialien beschaffen wir unter anderem aus Spanien, Griechenland, der Türkei, Tunesien, Ägypten, Elfenbeinküste, Indien, China, Vietnam oder Indonesien. Teilweise werden eigene Baumwollgarne mit kontinuierlicher Qualitätsüberwachung produziert. Hier kooperieren wir seit vielen Jahren mit bewährten Herstellern und Spinnereien.

Wir arbeiten sehr serviceorientiert und verfügen durchgehend über Lagerbestände in Höhe von 3.500 Tonnen in Leutershausen sowie über ein hafennahes Lager in Bremen. So können wir einfach und schnell ganz Europa versorgen. Zu unseren Kunden zählen Webereien, Strickereien aller Textilsegmente, die ihre Produkte an nachgelagerte Stufen liefern, wie auch die Großhändler.

Die Ascentex Exim LLP, Singapur, an der wir eine Beteiligung halten, organisiert den Garnhandel auf internationaler Ebene. Über sie bedienen wir mit Brasilien und Mexiko wesentliche Märkte Süd­amerikas. Durch das Ascentex-Exim-Netzwerk profitieren wir auch beim Sourcing von Garnen in Asien.

Wo werden Ihre Garne eingesetzt?

Unsere Garne werden hauptsächlich in Heim- und Haustextilien, Möbelstoffen, Technischen Textilien, aber auch in Medizinprodukten wie Mullbinden oder Bandagen oder Hygieneprodukten verarbeitet. Ein großer Anteil geht auch in die Strickereien und in die Gewebeproduktion für Mode und Bekleidung.

Wie wichtig ist für Sie die Qualität der Baumwollrohware für das Ergebnis Ihrer Arbeit?

Wir stellen generell hohe Anforderungen an die Qualität unserer Produkte. Für das Ergebnis unserer Färbungen ist die gleichbleibende Qualität von Baumwolle in Garnen von entscheidender Bedeutung. Wesentlich für die Färbung und Veredelung sind insbesondere der gleichmäßige Reifegrad der Baumwolle sowie bei der Ausrüstung die Festigkeit der Fasern. Qualitätsmerkmale im Garnhandel sind Faserfeinheit, Faserlänge und Fasergleichmäßigkeit. Die Kenntnis der Eigenschaften und Qualitätsmerkmale von Baumwolle ist Voraussetzung für unsere Qualitätsproduktion und eine fachlich kompetente Produktberatung unserer Kunden. Zur Klärung von Qualitätsfragen in Sachen Baumwolle nutzen wir auch gern die Expertise der Bremer Baumwollwollbörse.

Welche Verfahren setzen Sie in der Färberei und Veredlung ein?
Was schätzen die Kunden?

Im Bereich der von uns eingesetzten Kreuzspulfärberei ist die TVU Textilveredelungsunion Marktführer in Deutschland. Die Tageskapazität beträgt 30 Tonnen. Wir verfügen über 100.000 Farbrezepturen. Farben werden automatisch gemischt. Die Kontrolle erfolgt nach neusten Farbmessmethoden. Einen zusätzlichen Mehrwert bieten wir durch Vor- und Rückspulen, Paraffinieren und elektronische Reinigung und Spezialausrüstungen für medizinische und technische Einsatzzwecke. Die TVU ist Ansprechpartner, wenn es um die Garnveredlung für den Verbandstoff- und Hygienebereich geht: z. B. bei Verbandstoffbleiche oder z. B. für die Hydrophobierung von Tamponrückholfäden.

Auch wenn es um besondere Einsatzzwecke und Anforderungen geht, ziehen wir mit den Kunden an einem Strang. Unsere Anti-Aging Spezialausrüstung mit Vitamin E, Aloe Vera und Jojobaöl kommt speziell bei Unterwäsche, Bettwäsche & Co. zum Tragen – eben überall dort, wo Textilien nah am Körper anliegen und häufig gewaschen oder gebleicht werden.

Zudem sind wir offen für Ausrüstungsideen, die wir gemeinsam mit unseren Kunden in unserem internationalen Netzwerk mit Blick auf die Zukunft individuell und exklusiv erproben und realisieren können.

Was ist Ihr Verständnis von nachhaltiger und sozialverantwortlicher Produktion?

Mit unserer Vision 2020 haben wir uns bereits 2010 engagierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt, an deren Umsetzung das Management und alle Mitarbeiter jeden Tag arbeiten. Die Wärmeerzeugung erfolgt im einen Biomasseheizwerk. Nach dem Färben wird 60 Prozent der Wärme rückgewonnen. 13 Prozent des Strombedarfs wird durch Photovoltaikanlagen gedeckt. Die sorgt für eine CO2-Reduktion von über 90 Prozent. Wir gehen sparsam mit Farbstoffen, Chemikalien und allen Rohstoffen um. Folglich erzeugen wir Abfall und Abwasser auf das notwendigste begrenzt. Wir verwenden ausschließlich Brauchwasser. Verfahrensoptimierungen führten zu einer Reduktion von 35 Prozent des Wasserverbrauchs. Wir verfügen über eine eigene Abwasserentfärbung durch Teilstrombehandlung noch vor der örtlichen Kläranlage. Unsere umfassende und langfristige Abwasser- und Abfallstatistik ist für Kunden und Behörden einsehbar.

In Deutschland ist die Einhaltung sozialer Standards selbstverständlich. Dies wird gesetzlich kontrolliert. Unsere Lieferanten messen wir an unseren Ansprüchen und überprüfen die sozialen Standards persönlich vor Ort. Wir sind Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien mit dem Ziel die sozialen, ökologischen und ökonomischen Bedingungen entlang der Textil-Lieferkette zu verbessern. Wir verwenden aus Überzeugung keine Umweltgifte, die sich in der Natur anreichern und nicht abbaubar sind. Reach-Verordnungen, Oeko-Tex-Standards und gesetzliche Regelungen stellen einen Mindestanspruch dar, den wir mit Blick auf die Verantwortung für die kommenden Generationen an uns selbst stellen und teilweise sogar übertreffen.

Welche Rolle spielen Siegel für Sie als Nachweis für nachhaltige Arbeit?

Viele Labels und Gütesiegel vermitteln die Einhaltung von Nachhaltigkeits- und Sozialkriterien, die wir aus ethischem Selbstverständnis, wirtschaftlichen Gründen und gesetzlichen Regelungen sowieso einhalten. Schließlich wird permanent in Anlagen und Verfahren investiert, um genauer, produktiver und umweltschonender zu arbeiten. Wir verfügen mit ISO 9001 über ein kontrolliertes Qualitätsmanagement. Zudem arbeiten wir beim Umweltmanagement mit nach der Norm ISO 14001. Alle Produkte verfügen per se über einen Oeko-Tex Standard 100. Falls die Kunden es wünschen, stellen wir Produktserien zur Verfügung, die nach dem Global Organic Standard GOTS, Fairtrade und nach dem äußerst strengen Standard IVN Best des Naturtextilverbandes zertifiziert sind. Diese Projekte machen bislang aber lediglich 5 Prozent unserer Umsätze aus.

Welche Vorteile bietet das Duo Garnhandel und Garnveredelung für die TVU?

Die Vorteile sind offensichtlich: Durch die Bündelung der Kompetenzen im Garnhandel und in der Veredelung liegt beinahe jede Wertschöpfungskette in unserer Hand.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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