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26. Oktober 2022 / EZB: Euro-Banknoten aus nachhaltiger Baumwolle

Interview mit Bernadette O’Brien vom Direktorat Banknoten, Europäische Zentralbank:

Bernadette O’Brien

Neben Preisstabilität und Sicherung des europäischen Bankensystems steht die nachhaltige Erzeugung von Euro-Banknoten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt ganz oben auf der Agenda. Die Redaktion des Bremen Cotton Report sprach mit Bernadette O’Brien vom Direktorat Banknoten bei der EZB über den Herstellungsprozess und damit verbundene Herausforderungen.

CR: Mrs O‘Brien, wer ist die EZB?

Bernadette O’Brien: Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Zentralbank für 19 Länder der Europäischen Union, deren Landeswährung der Euro ist. Hauptaufgabe der EZB ist es, die Preisstabilität zu wahren und die Sicherheit und Solidität des europäischen Bankensystems zu gewährleisten. Darüber hinaus verantwortet die Abteilung Banknoten der EZB die Entwicklung und Ausgabe von Euro-Banknoten. Seit 2002, als die ersten Euro-Banknoten ausgegeben wurden, koordiniert die Zentralbank die Produktion von Euro-Banknoten und deren Ausgabe an Länder, die den Euro als Landeswährung führen. Die EZB garantiert, dass bei der Produktion der Euro-Banknoten und ihrer wichtigsten Rohmaterialien hohe Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards befolgt werden.

Welche Rolle spielt Baumwolle im Produktions­prozess der Euro-Banknoten?

Die Euro-Banknoten werden auf Papier aus reiner Baumwollfaser gedruckt. Dies gibt ihnen ihre besondere Steifigkeit und Verschleißfestigkeit. Seit 2014 setzt die EZB bei der Herstellung der Banknoten vermehrt Baumwolle aus nachhaltigen Quellen ein, die umweltfreundlicher als die traditionellen Quellen sind. Damit trägt sie zu einer Reduzierung der Umweltbelastung während der Banknotenproduktion bei.

Die Produktion der Euro-Banknoten ist eine komplexe, dezentralisierte Aufgabe, die von der EZB koordiniert wird. Europaweit produzieren zahlreiche Hochsicherheitsdruckereien die Banknoten, die anschließend in ganz Europa verteilt werden. Die Papierfabriken, die das Banknotenpapier herstellen, beschaffen die Baumwolle selbst.

Können Sie den Produktions­prozess beschreiben?

Zuallererst wird das Papier für die Banknoten aus Baumwollfasern erzeugt. Hierin enthalten ist auch ein Wasserzeichen und der Sicherheitsfaden, außerdem wird eine Metallfolie aufgebracht. Danach wird das Papier in Bögen geschnitten und zur Druckerei gebracht, wo der Druckprozess startet.

Der Offset-Druck ist die erste Stufe im Druckprozess. Dabei wird ein mehrfarbiger Hintergrund zeitgleich auf beide Seiten des Papiers gedruckt. Anschließend wird die schimmernde smaragdgrüne Zahl im Siebdruckverfahren auf die Vorderseite aufgebracht. In der dritten Stufe folgt das Tiefdruckverfahren, bei dem Tinte unter hohem Druck aufgetragen wird. Zuletzt druckt die Nummerierungspresse die Seriennummern. Banknoten mit der Denomination €5, €10 und €20 durchlaufen noch eine fünfte Druckstufe. Deren Papier erhält noch einen Firnis, um die Noten resistenter zu machen und ihre Lebensdauer zu verlängern. Im Anschluss an den Druck werden die Papierbögen in Banknoten geschnitten.

Verwenden andere, nicht-europäische Länder ebenfalls Baumwolle oder woraus produzieren sie Banknoten? Warum wird hier Baumwolle verwendet?

Seit Jahrhunderten werden verschiedenste Materialien zur Herstellung von Geld verwendet, zum Beispiel Leder, wertvolle Metalle, Schalen, Baumwollpapier und in letzter Zeit Plastik. 1998 stellte Australien Polymer-Banknoten vor, die mittlerweile in mehr als 30 Ländern Verwendung finden. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht* stellte fest, dass mindestens 90 Prozent aller Banknoten weltweit immer noch aus Papier auf Pflanzenbasis hergestellt werden.

Für die Herstellung des Euro-Noten­papiers wird Baumwolle genommen, da das Papier fester ist als Papier aus anderen natürlichen Fasern und die Banknoten folglich widerstandsfähiger und langlebiger sind. Darüber hinaus ermöglicht Baumwolle eine hohe Druckqualität sowie das Einbetten der hohen Sicherheitsmerkmale.

Welchen Herausforderungen steht die EZB bei der Baumwoll­beschaffung gegenüber?

Für die Herstellung von Euro-Banknoten werden hauptsächlich Baumwollkämmlinge verwendet. Die Be­schaffung zertifiziert nachhaltiger Baumwollkämmlinge war anfangs eine Herausforderung. Wir beobachten weiterhin die Verfügbarkeit entstehender nachhaltiger Baumwollprogramme. Zusätzlich setzten einige Papierfabriken Baumwolllinters in der Papierherstellung ein. Hierfür gibt es jedoch keine zertifizierte Nachhaltigkeit. Aus diesem Grund haben mehrere Papierfabriken die Verwendung von Linters aufgegeben und sich alternativen Lösungen zugewandt, um die Nachhaltigkeit der für die Euro-Banknoten verwendeten Baumwolle zu gewährleisten. Währenddessen setzt die EZB in enger Zusammenarbeit mit den Papierfabriken die Suche nach Linters aus nachhaltigen Quellen fort.

Welche Ansätze verfolgen Sie, um Banknoten nachhaltiger zu machen?

Die EZB setzt ihre Bemühungen kontinuierlich fort, die Umweltverträglichkeit von Euro-Banknoten zu verbessern. Diese Anstrengungen begannen bereits 2004, als für Euro-Banknoten die erste Lebenszyklusanalyse durchgeführt wurde. Das nachhaltige Baumwollprogramm war ein zentrales Ergebnis dieser Analyse in Anbetracht der Auswirkungen des Baumwoll­anbaus. Im Laufe der Jahre entwickelten sich parallel zur Suche nach Wiederverwertungslösungen auch Initiativen zum Abfallmanagement. Gegenwärtig nimmt die EZB eine neue Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt mittels Product Environmental Footprint (PEF) vor. Diese Methode der Europäischen Kommission zur Bestimmung der Nachhaltigkeitsperformance soll weitere Möglichkeiten zur Reduzierung der Umweltbelastung durch Euro-Banknoten identifizieren.

Wie definiert die EZB Nachhaltigkeit? Folgen Sie Leitlinien oder haben Sie Ihre eigene Strategie?

Hinsichtlich nachhaltiger Baumwolle handelt es sich hierbei um Baumwolle von zertifizierten Labels oder Programmen, wie zum Beispiel Biobaumwolle, Fairtrade-Baumwolle und integrierter Baumwollproduktion.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Banknoten in Anbetracht des zunehmend papierlosen Zahlungsverkehrs ein?

Bargeld ist ein wichtiger Bestandteil unserer Freiheit zu entscheiden, wie wir bezahlen wollen, und unerlässlich für die finanzielle Eingliederung aller Gruppen der Gesellschaft. Mit unserer Bargeldstrategie wollen wir sicherstellen, dass Bargeld als Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel umfassend verfügbar und akzeptiert bleibt.

Vielen Dank für das Gespräch!

*https://www.coinworld.com/news/paper-money/paper-or-plastic-for-world-s-bank-notes

Mehr Informationen zur EZB:

Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.

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