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10. November 2020 / Höhere Sicherheit für Biobaumwolle: Bessere Prüfmethoden und Blockchain-Projekt bieten Lösungen

Interview mit Karsten Fröse, Direktor für Baumwollqualität der Bremer Baumwollbörse, Simone Dreyer, Projektleiterin der Bremer Baumwollbörse und Dr. Lothar Kruse, Geschäftsführer Impetus Bioscience.

Seit 2018 arbeitet die Bremer Baumwollbörse gemeinsam mit dem Bremerhavener Biotechnologie-Unternehmen Impetus Bioscience an dem Projekt ‚Blockchain für die GVO-Schlichtung bei Biobaumwolle‘. Es wird durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Ziel war es zum einen, ein auf den Zweck zugeschnittenes Blockchain-Konzept zu entwickeln. Zum anderen sollten analytische DNA-Prüfmethoden für den Rohstoff Baumwolle erweitert werden.

Zum Abschluss des Projektes sprach die Redaktion des Bremen Cotton Report mit den Verantwortlichen:
Karsten Fröse, Direktor für Baumwollqualität der Bremer Baumwollbörse, initiierte das Forschungsvorhaben, Simone Dreyer leitete das Projekt für die Bremer Baumwollbörse und Dr. Lothar Kruse war verantwortlicher Projektpartner der Impetus Bioscience.

Cotton Report: Was ist die Idee hinter dem Projekt?

Karsten Fröse: Ausgangspunkt unseres Projektes ist eine zunehmende Verwendung von Biobaumwolle in der Lieferkette. Hierbei gab es in der Vergangenheit teilweise trotz vorhandener Zertifikate immer wieder berechtigte Zweifel an der Echtheit der Biobaumwolle in einem Textilprodukt sowie an der Richtigkeit der damit verbundenen Werbeaussage. Ein wesentliches Merkmal von Biobaumwolle ist ihre Freiheit von gentechnisch veränderten Organismen (GVO). GVO kann man in der Rohbaumwolle durch eine Prüfung der DNA der Fasern nachweisen. Ein Ziel des Forschungsprojektes war es, herauszufinden, inwiefern Baumwoll-DNA und damit verbunden auch GVO nicht nur in Fasern von geernteter Baumwolle, sondern auch in fertigen Textilien nachweisbar sind. Zudem sollte geprüft werden, welche Verarbeitungsschritte zum fertigen Textil diesen Nachweis beeinflussen. Als Reaktion auf erhöhte Sicherheitsansprüche in der komplexen Lieferkette sollte außerdem die Möglichkeit der Implementierung einer Blockchain untersucht werden.

Warum ist das ein sinnvolles Forschungsgebiet für die Bremer Baumwollbörse?

Karsten Fröse: Die Bremer Baumwollbörse fungiert seit fast 150 Jahren als Schiedsgericht, um einen reibungslosen Ablauf des Baumwollhandels zu gewährleisten. Natürlich liegt unsere Expertise hier auf dem Gebiet der Baumwollqualitätsprüfung. Dennoch werden Transparenz und Rückverfolgbarkeit für viele Beteiligte an der textilen Lieferkette zunehmend wichtigere Themen. Weitere Eigenschaften der beworbenen Baumwolle in unser Prüfportfolio aufzunehmen sowie die entsprechenden Dienstleistungen zur Sicherung der Ergebnisse anzubieten, ist da ein naheliegender Schritt. Zusammen mit unserem Partner Impetus und der ICA Bremen sind wir bereits heute schon gefragt, die Richtigkeit von Nachhaltigkeitsaussagen zu überprüfen.

Was spricht für die Nutzung der Blockchain-Technologie?

Simone Dreyer: Mit der Verwendung der Blockchain-Technologie gehen wir einen Schritt weiter bei der Absicherung und Weitergabe von geprüften Informationen im Netzwerk einer Lieferkette, was auch den aktuellen Trend in Richtung digitalisierter Prozesse aufgreift. Entscheidende Vorteile der Blockchain sind ihre hohe Sicherheit, ihre dezentrale Speicherung und Unabhängigkeit. Die Technologie kann grundlegend dazu beitragen, die Vertrauenswürdigkeit von Zertifikaten oder vertraglich vereinbarten Produktaussagen zu erhöhen. Interessant ist sie vor allem auch durch eine gewisse Anonymität der Daten. Dies käme vielen Unternehmen in der durch starken Wettbewerb kennzeichneten textilen Kette entgegen, da sie keine vertraulichen Daten offenlegen müssen.

Welche Untersuchungen haben Sie im Rahmen der Laboruntersuchungen durchgeführt und zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?

Dr. Lothar Kruse: Ein wesentliches Ziel war es, die GVO-Analyse­methoden zu verfeinern und auch verarbeitete Baumwolle in Form von Vor- und Endprodukten zu testen. Uns ist es gelungen, nicht nur nachzuweisen, dass GVO-Anteile in als Biobaumwolle bzw. als Biobaumwolltextilien verkauften Produkten vorhanden sind, sondern auch Aussagen über die anteilige Menge zu machen. Es war uns ein wichtiges Anliegen, die Quantifizierbarkeit von DNA auch in Hinsicht auf die Definition von möglichen Grenzwerten zu verbessern. Wir konnten tatsächlich auch aus vielen Endprodukten DNA extrahieren und zum Teil gravierende Abweichungen von den auf Basis des jeweiligen Angebotes erwarteten Ergebnissen feststellen.

Welche Prozesse zerstören denn DNA, so dass diese im Endprodukt nicht mehr nachweisbar ist?

Dr. Lothar Kruse: Wir waren erstaunt, wie viel DNA wir noch nachweisen können. Wir wissen, dass Chlorbleiche definitiv DNA zerstört, Wasserstoffperoxid weniger stark. Neben Färbemitteln gibt es noch eine Vielzahl von chemischen Ausrüstungsverfahren, die möglicherweise auch die DNA reduzieren. Hier wäre weiterer Forschungsbedarf angebracht.

Welche Bedeutung haben Ihre Ergebnisse für die DNA-Analysen in Zukunft?

Dr. Lothar Kruse: Grundsätzlich könnte man sagen, dass wir in der DNA-Analyse von Baumwolle an einem Wendepunkt angekommen sind. Über ein International Working Agreement-Protokoll der International Standard Organisation (ISO) sind erstmals einheitliche und genaue Verfahrensschritte vereinbart worden, anhand derer GVO-Analysen von Baumwolle zu erfolgen haben. Impetus Bioscience ist bereits zwei Schritte weiter und eines der wenigen Labore weltweit, die darüber hinaus eine spezifische genetische Veränderung identifizieren und diese auch quantifizieren können. Im Rahmen dieser Entwicklungen ist es wichtig, in naher Zukunft die Vergleichbarkeit von Tests und Laboren in Rundtests zu verbessern. Ich plädiere außerdem dafür, einen Grenzwert für eine geringfügige GVO-Kontamination, ähnlich wie in der Lebensmittelbranche, festzulegen. Aber auch dazu müssen Testverfahren dahin gehend standardisiert werden, dass für Baumwollprüfungen ein sinnvoller Wert definiert wird.

Wie geht es nun weiter mit dem Projekt, geht es jetzt an die Umsetzung der Erkenntnisse?

Simone Dreyer: Zunächst einmal halten wir fest, dass die Blockchain durchaus eine sinnvolle Technologie ist, das Zertifikatemanagement im Baumwollhandel zu vereinfachen und transparenter zu machen. Perspektivisch könnte eine entsprechende Plattform im Baumwollhandel entstehen, die mit Hilfe der Blockchain-Technologie gesichert ist. Die verschiedenen Anbieter von Zertifikaten und Siegeln hätten die Möglichkeit, Dokumente für alle in der Lieferkette Beteiligten dort einzupflegen und abrufbar zu machen. Wir sind mit verschiedenen Unternehmen im Gespräch, um aus den gewonnenen Erkenntnissen mit einer praktischen Umsetzung zu starten.

Vielen Dank für das Interview.

Bei Fragen kontaktieren Sie bitte:
Karsten Fröse, Tel. +49 421 33 970-18,
froese@baumwollboerse.de

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