Dr. Frank Hermanutz und Dr. Tanja Schneck, Forscher am Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung (DITF), Denkendorf, haben den DNFI-Innovationspreis für Naturfasern 2022 gewonnen. Bei dem prämierten Projekt handelt es sich um ‚PureCell‘ – naturfaserverstärkte Verbundwerkstoffe auf Basis reiner Cellulose.
Hintergrund dieser patentierten Technologie ist die Auflösung von Cellulose in einer ionischen Flüssigkeit, um die Herstellung von Cellulosematrix-Vorstufen zu ermöglichen. Diese werden dann zur Herstellung von Verbundwerkstoffen genutzt. Das Kernkonzept von PureCell besteht darin, Cellulosefasern als Verstärkung mit einer biobasierten Cellulosematrix zu verwenden, um einen wirtschaftlichen, recycelbaren und biologisch abbaubaren Ersatz für petrochemische Rohstoffe zu schaffen.
Mit Hilfe des PureCell-Herstellungsverfahrens können Cellulosefasern oder -gewebe mit einer flüssigen Cellulose-Ionen-Lösung imprägniert werden. Nach einer kurzen Wärmebehandlung wird die ionische Flüssigkeit mit Wasser ausgewaschen und für die Wiederverwendung zurückgewonnen. Der so entstandene nasse Verbundstoff kann bei niedrigen Temperaturen in die gewünschten Formen gebracht werden.
Dank des flexiblen Einsatzes von Cellulosegeweben und Filamentfasern ist die endgültige Form dieser Celluloseverbundwerkstoffe (ACCs) sehr anpassungsfähig. Um den Rohstoffkreislauf zu schließen, können die am Ende des Lebenszyklus anfallenden Abfälle als Rohstoff für die Herstellung neuer ACCs recycelt werden.
Die Verwendung erneuerbarer Biopolymere ist ein wesentlicher Bestandteil einer Strategie, die darauf abzielt, den Einsatz von erdölbasierten Materialien in industriellen Anwendungen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden. Biopolymer-Verbundwerkstoffe aus Naturfasern wie Flachs, Hanf oder Sisal sind in vielen Fällen eine wettbewerbsfähige Alternative zu glasfaserverstärkten Kunststoffverbundwerkstoffen (GFK) oder Aluminium. Bei herkömmlichen faserverstärkten Bioverbundwerkstoffen führen Unterschiede in der Oberflächenchemie zu einer geringen Haftung zwischen den thermoplastischen Matrizen und den Verstärkungsfasern. Die mit dem PureCell-Verfahren hergestellten Verbundwerkstoffe weisen jedoch aufgrund ihrer chemischen Ähnlichkeit eine gute Adhäsion zwischen den Verstärkungsfasern und der Matrix auf, da auch Cellulose als Matrix verwendet wird. Dank der Faser-Matrix-Haftung erreichen diese Verbundwerkstoffe sehr gute mechanische Eigenschaften.
Die Technologie ist ein umweltfreundliches Verfahren, da die ionische Flüssigkeit schnell, mit geringem Energieverbrauch und mit einem hohen Reinheitsgrad recycelt und für weitere Spinnprozesse mit ionischer Flüssigkeit wiederverwendet werden kann.
Die feierliche Preisübergabe erfolgt im Rahmen der DNFI-Jahrestagung in Frankfurt während der Messe Heimtextil (11./12. Januar 2022).
Weitere Informationen: www.dnfi.org
Bild: PureCell – sortenreiner Verbundwerkstoff, hergestellt aus cellulosischen Reifencordfasern (links) und aus Naturfasern (rechts) der DITF Denkendorf, Foto: DITF