– Interview mit Tina Stridde, Geschäftsführerin der Aid by Trade Foundation (AbTF) –
Im Interview mit der Bremen Cotton Report Redaktion berichtet Tina Stridde, Geschäftsführerin der Aid by Trade Foundation (AbTF), über Innovationen und holistische Ansätze in der nachhaltigen Produktion von Baumwolle und Kaschmir.
Bremen Cotton Report: Frau Stridde, gibt es Neuigkeiten bei der AbTF, die Sie uns mitteilen möchten? Was hat sich in den letzten Monaten getan?
Tina Stridde: In den letzten Monaten haben wir intensiv an innovativen und wirkungsvollen Instrumenten gearbeitet, die zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Produktion von Baumwolle und Kaschmir, zum Schutz unserer Umwelt und Biodiversität sowie zur Förderung der Transparenz in der Lieferkette beitragen. Ein maßgebliches Ergebnis dieser Arbeit ist der Launch unseres neuen Regenerative Cotton Standard (RCS). Sein Fokus liegt auf der Steigerung der Resilienz und der Produktivität des kleinbäuerlichen Baumwollanbaus. Wir schaffen mit seinem holistischen Ansatz einen Mehrwert für landwirtschaftlich genutzte Böden, ländliche Gemeinschaften, die Biosphäre und die Lebensqualität von Nutztieren. Dieser neue Standard wird erstmals auch in Indien implementiert. Eine Premiere für die Aid by Trade Foundation.
Seit Neuestem unterstützt Cotton made in Africa (CmiA) außerdem als Mitglied des Lenkungsausschusses die von der Welthandelsorganisation (WTO) und dem Internationalen Fußballverband (FIFA) gegründete Initiative ‚Partenariat pour le Coton‘. Ihr Ziel ist es, die westafrikanischen Baumwollanbauländer stärker in die globale Wertschöpfungskette für Fußballbekleidung zu integrieren.
Trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen generierte die Stiftung im Jahr 2023 mit ihrem Value to Business-Prinzip 8,1 Millionen Euro Einnahmen. Diese nutzte die AbTF, um auf akute Herausforderungen im Baumwollanbau zu reagieren. Unser finanzielles Engagement für eine ökologisch und sozial nachhaltige Rohstoffproduktion konnten wir um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern.
Maßgeblich dazu beigetragen hat unser wachsendes Netzwerk im Handel, zu dem inzwischen über 100 Retailer und Brands zählen. Neben langjährigen Partnern wie Bestseller, der Otto Group oder Rewe Group begrüßten wir unter den Neukunden auch die international bekannten Unternehmen IKEA und AVON. CmiA ist inzwischen auf 54 Textilproduktionsmärkten weltweit aktiv, arbeitet mit 2.700 Partnern in der Textillieferkette und rund 900.000 Kleinbäuer*innen in 11 Ländern zusammen. 2023 war CmiA in Afrika mit der Verifizierung von 30 % der Baumwollproduktion der führende Standard für nachhaltige Baumwolle.
Haben sich Ihre Schwerpunkte geändert, was ist der Fokus?
Ein Schwerpunkt liegt darin, die Adaptionsfähigkeit und Resilienz landwirtschaftlicher Anbausysteme gegen die Folgen des Klimawandels zu stärken.
Der Klimawandel mit seinen extremen Wetterereignissen, wie Starkregen, Dürreperioden in der Regenzeit oder auch Regen außerhalb der üblichen Zeitfenster wirken sich direkt auf die Erträge und damit auch auf die Einkommen der Farmer*innen aus. Der Klimawandel stellt damit die etablierten Empfehlungen für eine gute landwirtschaftliche Praxis in Frage. Hinzu kommen steigender Schädlingsdruck wie etwa in der Saison 2022/23 sowie der zunehmende Verlust der biologischen Vielfalt und Bodenfruchtbarkeit. Die Herausforderungen für den Baumwollsektor in der Region sind riesig.
Was bedeutet dies konkret für den Baumwollsektor bei der AbTF? Positives, Negatives, was läuft gut, was nicht?
Unsere Investitionen und Maßnahmen konzentrieren sich auf Diversifizierung, Ressourceneffizienz sowie eine Kombination aus traditionellem Wissen und innovativen Ansätzen, die darauf abzielen, die Anbausysteme resilienter zu machen. Dazu arbeiten wir im engen Schulterschluss mit regionalen und internationalen Expertinnen, Agronominnen und Wissenschaftlerinnen, um die effektivsten, lokal optimal umsetzbaren Praktiken zur Regeneration der Ökosysteme zu finden und unsere Partner darin zu unterstützten, die Erträge zu stabilisieren.
Darüber hinaus setzt die AbTF auf technologische Innovationen, bspw. wird in Pilotprojekten die Nutzung von Satellitendaten zur Steigerung der Effizienz, Produktivität und Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe untersucht oder eruiert, inwieweit sich für Baumwollbäuerinnen die langfristige Kohlenstoff-Speicherung im Boden über sogenannte „Kohlenstoff-Projekte“ buchstäblich auszahlen könnte.
Wie beurteilen Sie das deutsche Lieferkettengesetz und in diesem Zusammenhang das CSDDD?
Das deutsche Lieferkettengesetz und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sind wichtige Schritte in Richtung mehr Verantwortung und Transparenz in globalen Lieferketten. Wir begrüßen darum grundsätzlich diese Entwicklungen und bieten Unternehmen, die dazu verpflichtet sind, menschenrechtliche und ökologische Standards einzuhalten, entsprechende Lösungen. Wir sehen aber auch die damit einhergehende Bürokratie und die stark gestiegenen Anforderungen an die Textilunternehmen.
Mit unseren Standards und unserem Rückverfolgungssystem liefern wir Unternehmen die Möglichkeit auf die steigenden Anforderungen der Politik und Konsument*innen an Transparenz in der Lieferkette zu antworten. Eine besondere Rolle wird hier sicher unser neuer Chain of Custody Standard spielen, der ab 2025 eingesetzt wird und Informationen in unserem Hard Identity Preserved Tracking System unabhängig auditiert. So erhalten Marken und Einzelhändler die volle Transparenz ihres eingesetzten, verifizierten Rohstoffs über die gesamte Lieferkette bis hin zum Endprodukt.
In diesem Zusammenhang bemerken wir einige Aktivitäten der Naturfasercommunity in Brüssel angesichts der bevorstehenden oder schon aktiven gesetzlichen Regelungen.
Naturfasern müssen fair bewertet werden, um ihre Vorteile auch ausspielen zu können. Deshalb unterstützen wir die Initiative „Make the Label Count“, die sich für die Interessen der Naturfasern in Brüssel einsetzt. Es ist unser gemeinsames Ziel, dass die Interessen der Baumwoll- und Kaschmirproduzentinnen bei wichtigen Entscheidungen in Brüssel, die einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit und das Leben der Produzentinnen haben können, berücksichtigt werden.
Danke für das Interview!
Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.