Anhaltende Mikroplastikverschmutzung durch Kleidung – Ein wachsendes Problem für Mensch und Natur
Die Initiative Changing Markets Foundation untersuchte in einer Studie, welche Bedeutung der Einsatz synthetischer Fasern für international operierende Modeunternehmen hat. Mitglieder der Vereinigung sind die Clean Clothes Campaign, Fashion Revolution, die Plastic Soup Foundation und No Plastic in My Sea. 50 Unternehmen mit einem Marktwert von über einer Billion US-Dollar nahmen an der Studie mit dem Titel „Fashion‘s Plastic Paralysis“ teil.
Vorab: Rund 60 Prozent der befragten Unternehmen hatten keine oder nur unzureichende Daten über die Verwendung synthetischer Materialien preisgegeben. Das schwächt die Aussagekraft der Umfrage. Bei den auskunftswilligen Unternehmen zeigte sich, dass viele ihre Nutzung von synthetischen Fasern in Zukunft steigern wollen. 43 Prozent der Unternehmen, die an der Befragung teilnahmen, haben ihren Verbrauch an Synthetikstoffen in den letzten fünf Jahren nach eigenen Angaben erhöht.
Fast Fashion Industrie als Treiber des Polyesteranstiegs
Die Studie der Changing Markets Foundation gibt dem Angebot der weltweit operierenden Fast Fashion Industrie die Hauptverantwortung für Mikroplastikverschmutzung. Fast Fashion basiert bekanntlich auf schnellen Kollektionswechseln mit der Gefahr für Überproduktion. Verkauft werden überwiegend preiswerte Modeprodukte und die Produktlebenszyklen sind entsprechend kurz.
Was sind die Gründe für den starken Einsatz von Chemiefasern in der Bekleidungsindustrie? Polyester ist preisgünstiger als Naturfasern wie etwa Baumwolle, Wolle oder gar Seide. Die ölbasierte Faser ist derzeit dauerhaft am Markt verfügbar und bietet die Möglichkeit, preislich attraktive Bekleidung anzubieten. Auch in Designtrends, wie gewünschten besonderen Effekten und Eigenschaften, können Ursachen gefunden werden.
Die aktuelle Marktentwicklung spricht deshalb eine deutliche Sprache. So weisen die jüngsten Daten der Discover Natural Fiber Initiative (DNFI) nach, dass der Marktanteil von Chemiefasern am weltweiten Faserverbrauch 2023 mit einem Volumen von 81,4 Millionen Tonnen inzwischen bei 72,1 Prozent liegt. Der Anteil von Naturfasern beträgt mit 32,1 Millionen Tonnen hingegen 27,9 Prozent. Baumwolle hält unter den Naturfasern mit einer Menge von 24,6 Millionen Tonnen den größten Anteil. Auch der Materials Market Report 2024 von Textile Exchange bestätigt diese Entwicklung. Die globale Polyesterproduktion hat in den letzten fünf Jahren sogar um 23 Prozent zugenommen. Polyester ist damit die am häufigsten verwendete Faser weltweit.
Mikroplastik aus Kleidung: Bedrohung für Mensch und Umwelt
Das anerkannte amerikanische Forschungs- und Marketingunternehmen Cotton Incorporated schätzt auf Basis seiner Studie “The global apparel industry: a significant, yet overlooked source of plastic leakage.”, dass die internationale Bekleidungsindustrie für 14 Prozent des gesamten Kunststoffeintrags, die sogenannte ‘plastic leakage’, in die Umwelt verantwortlich ist. Dies entspricht einer jährlichen Freisetzung von etwa 8,3 Millionen Tonnen Plastik.
Das Problem: Bei jeder Haushaltswäsche werden Mikrofasern aus Textilien und Bekleidung freigesetzt, die über das Abwasser schließlich in Flüsse und Meere gelangen. Da sich diese Art von Plastikmikrofasern oft erst nach Jahrzehnten im Wasser biologisch abbauen, werden sie von Meerestieren aufgenommen und gelangen so in die menschliche Nahrungskette. Auch bei der Entsorgung von Bekleidung auf Deponien findet bei Polyesterstoffen über Jahre hinweg kein merklicher biologischer Abbau im Erdboden statt.
Nach Meinung der Changing Markets Foundation kann eine mögliche Kontamination von Nahrungsmitteln, Wasser und Luft eine gesundheitsschädliche Auswirkung haben. Es sei davon auszugehen, dass Mikroplastik bereits jetzt in der Luft und in Gewässern vorkommt und dadurch Gesundheitsrisiken wie zum Beispiel chronische Entzündungen der Lunge und kardiovaskuläre Erkrankungen ansteigen.
Naturfasern als Lösung gegen Kunststoffverschmutzung
Obwohl in der öffentlichen Diskussion von einem wachsenden Bewusstsein für negative ökologische und gesundheitliche Auswirkungen von Mikroplastik und synthetische Fasern zu hören ist, sind Veränderungen der Verbrauchernachfrage statistisch noch nicht nachweisbar.
Laut Cotton Incorporated ist die vermehrte Verwendung von Naturfasern wie Baumwolle eine der wichtigsten Strategien zur Verringerung der Kunststoffverschmutzung in der Bekleidungsindustrie. Baumwolle bietet im Vergleich zu synthetischen Fasern wie Polyester ökologische und gesundheitliche Vorteile. Als natürliche Faser ist Baumwolle, bestehend aus Zellulose, in kurzer Zeit biologisch abbaubar und hinterlässt keine Mikroplastikpartikel in der Umwelt. Zudem hat sie Vorteile im Hinblick auf Hautfreundlichkeit und Atmungsaktivität. Ähnlich positiv ist die Bilanz bei anderen pflanzlichen und tierischen Naturfasern.
Regulatorische Maßnahmen gefordert
Die Europäische Union hat im Rahmen ihres Green Deals, verbunden mit einer EU Strategy For Sustainable & Circular Textiles, bereits Maßnahmen zur Bekämpfung von Plastikverschmutzung in der Textilindustrie ergriffen. Der Changing Markets Foundation reicht dies noch nicht. Die Modeindustrie setze derzeit vor allem auf freiwillige Initiativen und vorhandene Maßnahmen seien unzureichend. Sie fordert Unternehmen dazu auf, konkrete Ziele zur Reduzierung des Einsatzes synthetischer Materialien festzulegen und einzuhalten. Auch strengere gesetzliche Regelungen werden gefordert. Mögliche Strategien hierfür umfassen die Festlegung von Höchstgrenzen für die während der Produktion, Nutzung und Entsorgung freigesetzten Mikrofasern sowie die Einführung von Vorschriften zur industriellen Vorwäsche und Abwasserfilterung.
Quellen:
Materials Market Report 2024, Textile Exchange
World Natural Fibre Update August 2024, DNFI