Rückblick: Keythemen der Internationalen Baumwolltagung 2021
Wissenschaftler weltweit forschen an der Weiterentwicklung und den Verwendungsmöglichkeiten von Baumwolle. Eine Session der Bremer Baumwolltagung 2021 widmete sich den neuesten Ergebnissen aus Forschung und Entwicklung.
Baumwolle mit besonderen biologischen Eigenschaften
Dr. Filipe Natalio, Principal Investigator, Weizmann Institute of Science, Israel, präsentierte das Thema ‚Material Farming‘: Anbau von Baumwolle mit einzigartigen Funktionen.
Die Idee des ‘Material Farming’ besteht darin, die Materialwissenschaft mit biologischen Systemen zu verknüpfen. Dabei handelt es sich um eine Anpassung natürlicher Rohstoffe, mit dem Ziel komplexe biologische Materialien zu erzeugen, die gleichzeitig die Unzulänglichkeiten von Chemie und Biotechnologie überwinden. Die Funktionalität von Fasern kann durch chemische Veredelung verändert werden, aber solche Beschichtungen nutzen sich mit der Zeit ab. Alternativ macht es aktuelle Forschung möglich, biologische Prozesse zu nutzen, um bestimmte Funktionen in Baumwollfasern zu integrieren.
Im vorgestellten Beispiel modifizierte der Wissenschaftler Dr. Filipe Natalio den natürlichen Syntheseprozess der Faser, um die Baumwolle mit weiteren molekularen Bausteinen anzureichern. Baumwollfasern werden durch die molekulare Verbindung von Glukosebausteinen zu Zellulose gebildet. Diese chemische Synthese kann durch eine 20-tägige Reifung der Baumwoll-Eizellen in einem Medium verändert werden. Mit dieser Technik ist es Dr. Natalio gelungen, fluoreszierende und magnetische Baumwollfasern herzustellen. Diese vorläufigen Ergebnisse demonstrieren das Konzept der Herstellung modifizierter Fasern mit Eigenschaften, die durch Abnutzung oder Waschen nicht abnehmen.
Zu den möglichen Anwendungen gehören Fasern, die von Natur aus farbig sind, oder hydrophobe, selbsttätige Textilien. Zudem könnte eine Bibliothek von Baumwollmolekülen für die Rückverfolgbarkeit erstellt werden. Eine weitere Absicht ist es, Baumwollfasern mit einer breiten Palette von Funktionen zu schaffen, um Nachhaltigkeitsbestrebungen zu unterstützen. Dr. Natalio erklärte, dass kommerzielle Versuche innerhalb von zwei Jahren durchgeführt werden könnten. Die entstehenden Fasern seien biologisch abbaubar.
Bild: Fluroreszierende Baumwolle, F. Natali, Univ. Halle-Wittenberg
Bioplastik aus Baumwolle
Dr. Noureddine Abidi, Professor und Direktor, Institut für Faser- und Biopolymerforschung, Texas Tech University, USA, stellte ein Verfahren zur Umwandlung von Baumwollzellulose in Biokunststofffolie vor. Grundlage dafür seien Baumwollfasern, die zu mehr als 90 Prozent aus Zellulose bestehen.
Die starken inter- und intramolekularen Wasserstoffbrückenbindungen innerhalb der Glukosemoleküle, die die Zellulose bilden, führen zu den hervorragenden mechanischen Eigenschaften der Baumwollfasern. Dr. Abidi wies darauf hin, dass sich Baumwollzellulose dadurch aber nur schwer auflösen lasse.
Das von Dr. Abidi entwickelte Verfahren zur Herstellung von Kunststofffolien nutzt gereinigte und gebleichte Baumwolle von geringer Feinheit. Die Baumwolle wird zunächst in einer Lösung bei 50 Grad Celsius aufgelöst und dann 12 Stunden lang bei 105 Grad gehalten, um ein Zellulosegel zu bilden. Das Gel kann zu einem Hydrogel-Film weiterverarbeitet werden. Durch Heißpressen verwandelt sich das Gel in einen trockenen Film, der elastisch und flexibel ist. In seiner Präsentation beschrieb Dr. Abidi die Leistungsmerkmale des daraus resultierenden Biokunststofffilms, wie Elastizität und Dehnung sowie die hydrophoben und thermischen Eigenschaften.
Potenzielle Anwendungen für die neue Folie sind der Ersatz von Plastikverpackungen und Einwegtüten.
Wasserabweisende Gewebe, flammenhemmende Baumwollvliese, heilende Kleidung
Während der Session stellten außerdem weitere Referenten Forschungsprojekte oder innovative Produkte und Materialien vor.
Daniel Odermatt, Marketing Manager Ventil, Stotz Fabrics, Schweiz, hielt einen Vortrag zum Thema innovative Baumwollgewebe für Funktionsbekleidung. Ventil Gewebe sind wasserdicht, wasserabweisend und winddicht, aber atmungsaktiv. Jacken und Mäntel sind der größte Markt für dieses Material.
Tim Natzschka, R&D Projektmanager, Norafin Industries GmbH, Deutschland, hielt einen Vortrag über Baumwolle als Rohstoff für spezielle technische Anwendungen. Er erläuterte, dass Norafin Industries Vliesstoffprodukte aus kardierten Fasern mit einem speziellen Wasserstrahlverflechtungsverfahren herstellt.
Agnieszka Cichocka und Dr. Iwona Frydrych von der Technischen Universität Lodz, Polen, sprachen über das Thema 3D-Design von Baumwoll-/Flachsbekleidung mit medizinischen Mikrokapseln zur Behandlung von Hautkrankheiten.
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