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29. Oktober 2020 / Blick ins Archiv: Die Schiedsgerichtsbarkeit der Bremer Baumwollbörse von 1873 bis 1914

Die Schiedsgerichtsbarkeit gehört seit bald 150 Jahren bis heute zu den zentralen satzungsgemäßen Aufgaben der Bremer Baumwollbörse. Es geht hierbei im Wesentlichen um die Streitschlichtung im Fall von Qualitätsmängeln bei gelieferter Baumwolle zwischen Vertragspartnern. Urteile der Baumwollbörse sind international anerkannt und deshalb schnell vollstreckbar.

 

Das Archiv der Bremer Baumwollbörse birgt hierzu manche ungeborgenen Schätze. Die vielen dort gelagerten Schriftstücke und weiteren historischen Relikte wie Bilder, Zeitungsartikel oder Auszeichnungen erfahren eine Systematisierung und werden digital erfasst. Anfang 2020 erhielt die Bremer Baumwollbörse drei Monate Unterstützung durch den angehenden Historiker Joseph Kretzschmar. Er beschäftigte sich in dieser Zeit mit der frühen Schiedsgerichtsbarkeit des Vereins von 1873 bis 1914 – vom ersten gefällten Schiedsspruch bis zum Beginn des ersten Weltkrieges. „Die Schiedsspruchakten des Archivs der Bremer Baumwollbörse liefern tiefere Einblicke in die Pro­bleme des weltweiten Baumwollhandels, die damaligen Anfälligkeiten der Ware und die damit verbundene Notwendigkeit von allgemein gültigen Bestimmungen,“ resümiert ein zusammenfassender Bericht der Tätigkeit. Insgesamt wurde hierbei deutlich, welche Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere für den zunehmenden internationalen Baumwollhandel wie auch für die deutsche Rechtspflege und Rechtsgeschichte, zukam.

„Die vertragstechnische Schiedsgerichtsbarkeit,“ so führt der Bericht aus, „ist dabei, neben der Qualitätsarbitrage, die Hauptaufgabe der Bremer Baumwollbörse. Sie ermöglichte eine beschleunigte, kostengünstigere, fachlichere und diskretere Entscheidungsfindung als die ordentlichen Gerichte, sodass die Bremer Bestimmungen bald maßgeblich für den über Bremen laufenden Baumwollhandel wurden.“

Im Wesentlichen wird deutlich, dass die Regeln sich vor allem im täglichen Handel als praktikabel, sicher und rasch vollstreckbar zu erweisen hatten. Dabei widersprächen sie vielleicht gelegentlich dem intuitiven Rechtsverständnis. Als Beispiel dafür nennt der Historiker einen Urteilsspruch aus dem Jahre 1889: Eine vertraglich versprochene Ladung kommt nicht rechtzeitig beim Käufer an. Die Ursache scheint ein Brand an Bord des Schiffes gewesen zu sein. Nach den Bedingungen der Bremer Baumwollbörse muss der Verkäufer den Käufer entschädigen, auch wenn dieser an dem Brand keine Schuld hat. Der Artikel weist darauf hin, dass ein solches Urteil keineswegs zu Unmut führte: „Eine schnelle und fachkundige Entscheidung erleichtert den Handel, ermöglicht eine neutrale und gesichtswahrende Einigung, die im Endeffekt allen Beteiligten zugutekommt“.

Damals wie heute gilt: „Die Schiedssprüche sind keine Schuldsprüche, sondern sorgen für einen fairen Interessenausgleich unter Gleichgestellten, um die fruchtbaren Geschäftsbeziehungen zu bewahren.“ Im weiteren analysierte der Bericht detailliert die Art der Schiedssprüche sowie die beteiligten Länder und Parteien der Lieferkette. Festgestellt wurde dabei, dass in den Urteilen der Bremer Baumwollbörse weder der Handel noch die Spinnereien und weder die inländischen noch die ausländischen Parteien bevorzugt wurden. Das spricht für die bis heute im Kern verankerte Neutralität der Bremer Baumwollbörse.

Download des ganzen Aufsatzes (pdf):

Kretzschmar – Handel Streit und Baumwolle -Schiedsgerichtsbarkeit in den Anfängen der Bremer Baumwollbörse von 1873 – 1914

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