Interview mit Kai Hughes, Direktor des Internationalen Baumwollsekretariats (ICAC) in Washington
Der fortschreitende Klimawandel hat Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Produktionssysteme – also auch auf den Baumwollanbau. Kai Hughes, Direktor des Internationalen Baumwollsekretariats (ICAC) in Washington, beantwortet der Cotton Report Redaktion die wichtigsten Fragen rund um Baumwolle und den Klimawandel. Unter dem Titel „Klimawandel – ein Sturm im Wasserglas?“ hatte er bereits auf der Internationalen Baumwolltagung 2021 einen Vortrag zum Thema gehalten.
Bremen Cotton Report: Der Klimawandel hat Auswirkungen darauf, wie und wo Baumwolle in Zukunft angebaut werden kann. Was sind die grundlegenden Veränderungen?
Kai Hughes: Der Klimawandel führt zu einem höheren CO2-Gehalt in der Atmosphäre, erhöhte Temperaturen und Störungen der Niederschlagsmuster – alles Entwicklungen, von denen bekannt ist, dass sie die Baumwollproduktion maßgeblich beeinflussen. Während ein erhöhter CO2-Gehalt der Baumwolle zugutekommen könnte, werden höhere Temperaturen und unregelmäßige Niederschläge die Produktion erheblich beeinträchtigen. Baumwolle im Regenfeldbau wird aufgrund der gestörten Niederschlagsmuster am stärksten betroffen sein. Mehr als die Hälfte der weltweiten Baumwollanbaufläche ist allein auf Niederschläge angewiesen. Rund 95 Prozent der Baumwollfläche in Afrika und Brasilien erhalten keine Bewässerung. Weitere Flächen im ausschließlichen Regenfeldbau liegen in Indien und den Vereinigten Staaten, wo 65 Prozent der Baumwollanbaufläche vollständig von Niederschlägen abhängig sind. Weitere grundlegende Veränderungen mit Auswirkungen auf den Baumwollanbau sind das verstärkte Auftreten einiger Insektenschädlinge sowie Krankheiten verbunden mit sinkenden Erträgen und Faserqualitäten.
Wie können sich Landwirte an diese Veränderungen anpassen?
Baumwolle ist grundsätzlich eine klimaresistente Kulturpflanze. Im Vergleich zu den meisten Nutzpflanzen ist sie widerstandsfähiger gegen Trockenheit. Landwirte in heißen und trockenen Regionen der Welt bevorzugen Baumwolle wegen ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimarisiken. Es ist jedoch möglich, diese natürliche Widerstandsfähigkeit durch wissenschaftliche Forschung weiter zu stärken. Durch zwei wesentliche Strategien können Landwirte die Anpassung an den Klimawandel unterstützen: Die erste Strategie ist die Züchtung klimaresistenter Baumwollsorten, insbesondere mit Toleranz gegenüber hohen Temperaturen.
Die zweite Strategie besteht darin, den organischen Gehalt des Bodens und die Bodengesundheit durch regenerative Praktiken zu verjüngen. Böden, die reich an organischer Substanz sind, fangen Regenwasser effizienter auf und speichern es. So können die Pflanzen erratische Niederschlagsmuster und höhere Temperaturen besser ausgleichen. Zudem verringert sich der Bedarf an chemischen Düngemitteln, wodurch sich wiederum die Treibhausgasemissionen von landwirtschaftlichen Betrieben reduzieren.
Was ist an Maßnahmen im gesamten Produktionssystem erforderlich, um sich auf den Klimawandel einzustellen?
Zu den Maßnahmen gegen den Klimawandel gehören auch Strategien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in der gesamten Produktions- und Lieferkette. Der Einsatz von stickstoffhaltigen Düngemitteln in der Baumwollerzeugung, die Nutzung von Strom, Wasser, Energie und hochgefährlichen Chemikalien in landwirtschaftlichen Betrieben und Fabriken einerseits sowie der Einsatz von Energie, Chemikalien und Wasser für den Betrieb von Textilfabriken andererseits tragen wesentlich zu den Treibhausgasemissionen des Sektors bei. Sie stellen ein großes Problem für Ökologie und Umwelt dar. Die Forschung muss sich auf die Entwicklung von umweltfreundlichen „alternativen Technologien“ konzentrieren, die die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und am wenigsten Treibhausgase erzeugen und gleichzeitig die Nutzpflanzen unterstützen, die die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen.
Vielleicht neu für einige: Baumwolle kann eine zentrale Rolle in der Reduktion des Klimawandels spielen. Wieso?
Alle Pflanzen tragen dazu bei, die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen, da sie CO2 absorbieren. Baumwollpflanzen sind insofern etwas Besonderes, weil sie nicht nur CO2 in der Pflanzenbiomasse aufnehmen, sondern zusätzlich CO2 in ihren kohlenstoffreichen Fasern absorbieren. Baumwollfasern bestehen mit 96-98 Prozent fast aus reiner Zellulose und enthalten 42 Prozent Kohlenstoff. Ein Kilogramm Baumwollfasern bindet 1,54 kg CO2. Alle landwirtschaftlichen Kulturen emittieren während der Erzeugung Treibhausgase aufgrund des Einsatzes von Energie, Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln. Der Baumwollanbau emittiert 1,7 kg CO2-Äquivalente an Treibhausgasen pro Kilogramm produzierter Faser. Aber Baumwolle bindet und speichert auch Treibhausgase in ihren Fasern und im Boden, was 2,2 kg CO2-Äquivalenten pro Kilogramm produzierter Fasern entspricht. Somit absorbiert Baumwolle ein halbes Kilogramm mehr Treibhausgase als sie emittiert.
Baumwolle gehört zu der photosynthetischen Kategorie der C3-Pflanzen, wie auch Weizen, Reis, Sonnenblumen. Im Gegensatz dazu sind beispielsweise Zuckerrohr, Mais und Sorghum C4-Pflanzen. C3-Pflanzen sind in der Lage, fast die doppelte Menge an CO2 zu binden wie C4-Pflanzen. Genau genommen können C4-Pflanzen nicht mehr als 415 ppm CO2 binden. Wenn also der CO2-Gehalt der Atmosphäre in den nächsten 80 Jahren weiter auf etwa 800 ppm ansteigt, trägt die Baumwollpflanze weiter zum Klimaschutz bei, indem sie mehr und mehr CO2 aufnimmt.
Die Baumwollpflanze in ihrer jetzigen Form bindet mehr Kohlenstoff, als sie emittiert und mildert so die Auswirkungen des Klimawandels ab. Daher ist zu erwarten, dass sie in Systemen, die weniger energieabhängig und weniger chemikalienintensiv sind, besser abschneidet als die herkömmlichen Systeme der Produktion und Verarbeitung.
Vielen Dank für das Interview!
Hier geht es zur Konferenzpräsentation: Kai Hughes – Climate Change: A storm in a teacup?
Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.