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31. Januar 2017 / Elke Hortmeyer, Bremer Baumwollbörse im Interview

„Wie läufts mit Baumwolle?“

Die weltweite Faserproduktion lag 2015 bei fast 95 Mill. t. Die Baumwolle erlebte in der Saison 2015/16 mit der Produktion von gut 21 Mill. t und einem Rückgang von fast 20 % ihren stärksten Einbruch seit 40 Jahren. Bei gleichzeitig leicht gesunkener Nachfrage sind die Lagerbestände mit 19 Mill. t weiterhin hoch.

Die weltweite Fasernachfrage ist im Jahr 2015 auf insgesamt 96,7 Mill. t angestiegen. Dies entspricht einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr von 3,1 %, dem schwächsten Wachstum seit 4 Jahren infolge eines kontinuierlich abnehmenden Nachfragewachstums. Bei einer Weltbevölkerung von etwa 7,3 Mrd. Menschen ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Pro-Kopf-Verbrauch von 13,3 kg textiler Materialien für Bekleidung, Heimtextilien, Teppiche und technische Textilien.

In der letzten Saison ist die Baumwollproduktion zurückgegangen, die Verarbeitung lag jedoch über der Produktion. Wie wird sich die Baumwollsituation in den nächsten 5 Jahren entwickeln? 

Elke Hortmeyer: Die Baumwollproduktion hängt von verschiedenen, untereinander korrespondierenden Faktoren ab. So unter anderem von den klimatischen Bedingungen in den Produzentenländern, Subventionsmaß-nahmen oder der Lagerhaltungspolitik. Angebot und Nachfrage müssen in angemessenem Verhältnis zueinander stehen. Grundsätzlich wichtig sind die Preise für Baumwolle im Vergleich zu denen anderer Ernten, da sich der An-bau für den Farmer rentieren muss. Insofern gleicht eine Vorhersage zur mittelfristigen Ernteentwicklung immer einem Blick in die Glaskugel, verbunden mit der einen oder anderen realistischen Annahme. Wagt man eine optimistische Prognose, so kann damit gerechnet werden, dass die Baumwollproduktion schon allein aufgrund des kontinuierlichen Bevölkerungswachstums, verbunden mit einer höheren Nachfrage, moderat ansteigt. Derzeit wird intensiv auch an neue Verwendungsrichtungen für Baumwolle z. B. im Bereich von Hygiene und Gesundheit geforscht. Die Resultate könnten dazu führen, dass der Rohstoff weiterhin begehrlich bleibt. 

Wird derzeit die Wettbewerbsfähigkeit der Baumwolle durch bestimmte Faktoren beeinträchtigt?

Elke Hortmeyer: Im Rückblick kristallisierten sich nach der extremen Preisvolatilität zwischen 2010 und 2012 auf den weltweiten Baumwollmärkten einerseits die chinesische Lagerpolitik, andererseits hohe, beständige Preise als Besonderheiten heraus. Ende der Saison 2014/15 gaben die internationalen Preise nach. Die chinesische Regierung gab in dieser Zeit ihre neue Reservestrategie bekannt. Sie führte zu einem kleineren Handelsvolumen und ließ zahlreiche Produzentenländer mit hohen Beständen zurück. Die chinesische Baumwollpolitik wird den weltweiten Baumwollmarkt weiterhin beeinflussen, aber langfristig will man die Reserven wohl auf ein handhabbares Maß zurückfahren. Der Schwerpunkt der geplanten Maß-nahmen liegt hierbei auf relativer Preisstabilität. Sollte dies gelingen, dürften die Weltbestände langsam sinken und sich das Stocks-to-use-Verhältnis an den historischen Durchschnitt annähern. Zusätzlich wer-den wahrscheinlich die internationalen Baumwollpreise relativ stabil bleiben.

Global betrachtet gefährdet aber auch der bestehende Unterschied zwischen Baumwoll- und Polyesterpreisen die Wettbewerbsfähigkeit von Baumwolle. Baumwolle ist teurer als Polyester. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Preisschwankungen im Bereich der Baumwolle. Sie nahmen in letzter Zeit zu, was zu Verunsicherungen innerhalb der Baumwollwertschöpfungskette beitrug, wovon der Polyesterverbrauch profitierte.

Welchen Herausforderungen steht der Weltbaumwollsektor gegenüber?

Elke Hortmeyer: Global betrachtet geht es darum, den Verbrauch von Baumwolle zu steigern. Zudem müssen die Baumwollpreise wettbewerbsfähig bleiben. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Baumwolle ein natürliches, landwirtschaftliches Produkt ist. Landwirtschaft ist ein hartes Geschäft: Der Landwirt will und muss effektiv wirtschaften und das Produkt muss preislich attraktiv genug sein, damit er es überhaupt anbaut. Es gibt starke Konkurrenz durch z.B. Soja, Getreide, Mais, deren Anbau günstiger ist als der von Baumwolle. 

Die weltweite Baumwollanbaufläche ist seit den 1950er Jahren nicht angestiegen. Stattdessen nahmen die Erträge kontinuierlich zu. So lagen diese in den 1950er Jahren bei ca. 200 kg/ha, heute sind wir bei rund 730 kg/ha. Dieses Niveau haben wir jedoch schon vor Jahren erreicht, es ist keine weitere Steigerung er-folgt. Gleichzeitig nehmen die Produktionskosten zu. Daher ist es immens wichtig, dass durch Forschung und Wissenschaft sowie im Anbau selbst Fortschritte erreicht werden, um künftige Ertragssteigerungen zu erreichen.

Gleichzeitig geht es immer um Qualität. Länge, Festigkeit, Faserfeinheit, Gleichförmigkeit, Farbe – die Werte müssen stimmen. Die verarbeitende Industrie hat hohe Ansprüche, denen die Baumwolle gerecht werde muss. Auch hier nimmt die Forschung ihren Auftrag sehr ernst. Qualitätsprüfung, Erhalt und Verbesserung sind permanente Herausforderungen.

Einige baumwollproduzierende Länder bekommen bereits negative Auswirkungen der Klimaveränderungen zu spüren. Welche Möglichkeiten bestehen, um auf diese zu reagiert? 

Elke Hortmeyer: Die Klimaveränderung ist in der Landwirtschaft allgemein Thema. In der Baumwolle wird auf den Fachkonferenzen sehr intensiv darüber diskutiert, wie man dieser Entwicklung begegnen kann. Baumwolle ist, was viele nicht wissen, eine Pflanze mit einer Pfahlwurzel, die auch in sehr trockenen Gegenden wachsen kann. Um jedoch regelmäßig hohe Erträge zu erzielen, benötigt die Pflanze Wasser. Für einen Landwirt sind Planungssicherheit und ein gewisses Ertragsvolumen essentiell. 

Die Herausforderungen sind das zur Verfügung stehende Land und die Bewässerung von Baumwollfeldern in der richtigen Dosierung und zur richtigen Zeit. Es wird seit geraumer Zeit aktiv im Bereich der Saaten-züchtung geforscht, zum Beispiel zum Thema trockenheitsresistente Saat, die gleichzeitig auch große Wassermengen verträgt, wie sie durch Klimaveränderungen in einigen Regionen auftauchen. Dies alles immer vor dem Hintergrund, dass die Fasern wachsenden Qualitätsansprüchen genügen müssen.

Welchen Einfluss haben die weltweit steigenden Produktionsmengen von Chemiefasern, insbesondere von Polyester, auf die Baumwollwirtschaft? 

Elke Hortmeyer: Chemiefasern haben in den letzten Jahrzehnten große Marktanteile übernommen. Diese Entwicklung ist mittlerweile angesichts eines Marktanteils von Baumwolle von 26 % gegenüber 74 % Chemiefasern mehr als deutlich. Wie bei der Baumwolle hat die Wirtschaftspolitik in China mit einem starken Wachstum in der Polyesterfaserindustrie einen großen Einfluss auf die Entwicklung. Davon abgesehen ist allerdings auch der Faserbedarf gestiegen und die Einsatzzwecke der textilen Rohstoffe haben sich bei steigenden Anforderungen aus der textilen Verarbeitung verändert. Baumwolle hat in den letzten Jahren viel Volatilität gezeigt, zudem sind die Chemiefaserpreise ein Faktor mit sehr großem Einfluss. 

Baumwolle und Chemiefasern – stehen beide Fasern in Konkurrenz oder als Ergänzung zueinander?

Elke Hortmeyer: Auf den ersten Blick und rein statistisch betrachtet, möchte man sagen, dass eine starke Konkurrenz besteht, doch es ist eher eine Ergänzung. Definitiv haben wir hier eine großartige Möglichkeit, Fasereigenschaften zu kombinieren. Denken wir z. B. an Jeans, Blusen, Wäsche und T-Shirts mit einem Anteil an Stretchfasern für mehr Passformstabilität und Bequemlichkeit oder an Gewebemischungen aus zellulosischen Chemiefasern wie Viskose und Baumwolle, die durch Griff und Optik überzeugen. Hier kann durchaus von Win-Win-Situationen gesprochen werden. Bei zunehmender Weltbevölkerung und wachsen-der Nachfrage nach Textilien wird auch die Nachfrage nach textilen Rohstoffen steigen. Neben den wach-senden Anforderungen aus der Textilindustrie bezüglich definierter Eigenschaften haben wir einerseits die Chemiefaser, die auf Abruf mit spezifischen Eigenschaften produziert werden kann und andererseits die Naturfaser Baumwolle, die zu 100 % biologisch abbaubar ist und immer wieder im Wechsel mit anderen Ernten angebaut werden kann. Beides ist wichtig.

Aus der aktuellen Ausgabe, Januar 2017, der Melliand Textilberichte.
Die Fragen stellte Mechthild Maas, dfv Mediengruppe, Frankfurt/M.

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